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Nigeria - Afrika |
Am frühen Morgen des 24. Februars 1981 waren wir in Lome aufgebrochen. Wir, das waren Elly, Joachim, Bruno, meine in Togo zu uns gestoßene Freundin und ich.
Nach kurzer Zeit war das kleine Togo durchquert.
Die Ausreise aus Togo verlief genauso problemlos wie die Ein- und wenig später auch wieder die Ausreise aus Benin, da wir das Land in weniger als zwei Stunden passiert hatten. Die Küstenlandschaft Benins mit ihren Kokospflanzungen sowie die Dörfer glichen denen in Togo bis ins Detail.
Wir hatten uns insgeheim auf Versuche zur Schmiergelderpressung an der nigerianischen Grenze eingestellt und waren angenehm überrascht, als nichts dergleichen erfolgte, obwohl wir noch immer mit eigenen Fahrzeugen unterwegs waren.
Etwa auf halber Strecke zwischen dem Grenzübergang Badagry und der Metropole Lagos erreichten wir einen Stau, der sich aufgrund eines Unfalles gebildet hatte. Polizei regelte den Verkehr und als wir die Unfallstelle erreichten, winkte uns der Polizist auf unserer Seite zu, wir könnten jetzt fahren. Dummerweise tat der Polizist der den Gegenverkehr regelte, auf seiner Seite genau das Gleiche. Wir sowie auch der uns dadurch jetzt plötzlich entgegenkommende LKW mußten an der unübersichtlichen Stelle scharf bremsen. Es folgte ein heftiger Knall und der LKW wurde etwa einen Meter nach vorne geschoben. Ein nachfolgender LKW war aufgefahren. Der Polizist hinter uns begann in seine Pfeife zu blasen, der vor uns ebenso und ein Offizier kam mit ausgestrecktem Zeigefinger auf uns zugerannt.
"Sie haben den Unfall verursacht, sie hätten warten müssen!"
Brüllte er.
"Nein, der Polizist hatte uns weiter bedeutet!"
Antworteten wir kopfschüttelnd im Chor.
"Ist das wahr?"
Der hintere Polizist hatte uns inzwischen auch erreicht.
"Nein, ich habe Stop gezeigt!"
Der Chef wollte sich gerade wieder an uns wenden, als ihm gemeldet wurde, daß der Fahrer des auffahrenden Fahrzeuges stiften gegangen war. Vermutlich wurde er gesucht oder er hatte keinen Führerschein. Eine Blamage, denn es waren mindestens fünf bis sieben Beamte anwesend, welche sofort auf Befehl des Offiziers ausschwärmten. Jemand hatte angeblich einen Mann in die Büsche rennen sehen.
Die Straße wurde durch uns jetzt in beide Richtungen blockiert uns so bedeutete uns der Offizier schließlich, wir sollten weiterfahren.
Glück gehabt, das hätte auch anders ausgehen können, wir waren dem Geflüchteten dankbar.
Nach einiger Zeit erreichten wir dann die riesige Lagunenstadt Lagos mit ihren Autobahnen. In der Innenstadt herrschte dichtes Verkehrschaos. Wir suchten eine Bank auf, die von zahlreichen schwerbewaffneten Wächtern gesichert wurde.
Sehenswert waren die Polizei- (oder vielleicht waren es auch Militärpolizei-)Patrouillen. Wie in einem von einer fremden Armee besetzten Land. Eine Patrouille bestand aus einem kleinen LKW, auf der Ladefläche stand an jeder der vier Ecken ein Uniformierter mit schußfertig angelegter Maschinenpistole. Auch der Beifahrer streckte drohend einen Lauf durch das heruntergekurbelte Fenster. Niemand in der dicht gedrängt auf den Bürgersteigen dahineilenden Menge nahm besondere Notiz davon. Die City von Lagos machte einen Eindruck großer Geschäftigkeit, ähnlich den Brennpunkten der größten europäischen oder asiatischen Metropolen.
Wir blieben nur wenige Stunden in Lagos, denn der dichte Verkehr machte Sightseeing zur Anstrengung und um mit Autos in der gefährlichen Stadt zu übernachten mußte man einen sicheren, von Bewaffneten geschützten Platz haben. So jedenfalls hatten uns Deutsche berichtet, die in Togo Kurzurlaub machten und ansonsten in Lagos lebten. Die Horrorgeschichten, vor allem jene die vom Lynchmord an ertappten Gangstern handelten, welche sie uns über Lagos berichtet hatten, waren fast unglaublich brutal. Wir waren nicht darauf erpicht, den Wahrheitsgehalt dieser Schilderungen zu überprüfen. Die Szenen der schwer bewaffneten Staatsdiener reichten uns.
So brachen wir auf, um vor dem Abend einen gehörigen Sicherheitsabstand zwischen uns und der Stadt zu bringen. In diesem Land war es unumgänglich notwendig sich in den Schutz einer Dorfgemeinschaft oder eines Privathauses zu begeben, wenn man kampieren wollte. Wir brachten durch die guten geteerten nigerianischen Straßen ein gehöriges Stück Strecke Richtung unseres Zieles Calabar hinter uns, bis wir, schon des Nachts, in ein Dorf einfuhren um dort zu übernachten. Wir befanden uns etwa 15 Kilometer entfernt der Hauptstraße, von der wir abgebogen waren. Hier auf dem platten Land machte alles einen friedlichen Eindruck wie sonst auch überall in Afrika.
Der nächste Morgen brachte uns so eine Art Beinahe-Überfall. An der neuen Strecke wurde gerade gebaut, die rechte Spur war gesperrt und so dachten wir, Bauarbeiter machen Pause, als wir drei Gestalten am linken Wegrand sitzen sahen. Zumal in einiger Entfernung ein Weißer, der vermutlich für die STRABAG arbeitete, welche die Straße baute wie uns die Tafeln verkündeten, am rechten Straßenrand in unsere Richtung ging.
Außer unseren beiden VW´s waren keine Fahrzeuge in diesem Waldstück unterwegs.
Wir waren vielleicht noch 15 - 20 Meter von den drei kauernden Männern entfernt, als sie plötzlich ein langes Nagelbrett mit einem daran befestigten Strick quer über die Straße warfen und der Erste eine riesige Keule schwang, um unsere Frontscheibe zu zertrümmern, wie es schien.
Bruno war so überrascht, daß er sich verschaltete und unsere Mühle abwürgte, als er gleichzeitig bremste. Nie jedoch hätten wir rechtzeitig anhalten können und wären über das Nagelbrett gefahren, wenn es nicht im letzten Augenblick wieder weggezogen worden wäre. Auch der Keulen-Kerl senkte seine Waffe.
Hastig startete Bruno wieder den Motor und gab Gas, während wir nach unserem zweiten Fahrzeug hinter uns sahen.
"Was zum Teufel, war das?"
Der Weiße, der den ganzen Vorgang beobachtet hatte, ging unbeeindruckt mit gleichgültigem Gesicht seines Weges als wir an ihm vorbeifuhren, völlig ohne uns eines Blickes zu würdigen.
Die nächste denkwürdige Szene an diesem Tag spielte sich in einer mittelgroßen Stadt ab. Bruno hatte, wie jedermann an dieser Stelle, ein Stopschild mißachtet. Ein Bulle, der zufällig des Weges kam, bekam Dollarzeichen in die Augen und blies in seine Trillerpfeife. Weil er nun aber ein Stück weiter auf der Kreuzung Konkurrenz sah, die dort stehenden Polizei-Beamten waren durch das Geträller aufmerksam geworden, stieg er kurzerhand in unser Auto und wies Bruno an, weiter zu fahren.
"Wenn ich das melde, dann wird dein Führerschein beschlagnahmt" drohte er.
"Der Kerl will Geld" klärte ich auf deutsch meine Gefährten auf.
"Ok, was kostet uns das?"
Wandte ich mich jetzt auf Englisch an ihn.
"100 Dollar!"
Ich begann zu lachen und Bruno und meine Freundin stimmten ein. Der Bursche war nicht unbescheiden!
Auch er begann jetzt säuerlich zu grinsen.
"Auf gar keinen Fall!"
"Gut, wieviel könnt ihr denn bezahlen?"
Begann er jetzt zu verhandeln.
Nach einiger Zeit gab er sich dann mit einem Naira-Betrag zufrieden, der bei unserem eingeschmuggelten Geld etwa 5-6 Mark entsprach. Allerdings wollte er dann dafür noch nach Hause gefahren werden. Wir taten ihm diesen Gefallen, zumal das nur ein kleiner Umweg war. Es gab einiges Aufsehen in der kleinen Straße, die einen eher dörflichen Eindruck machte, als der Polizist gleich von einer Eskorte mit zwei Fahrzeugen und Europäern zu Hause abgeliefert wurde.
Er hatte darauf bestanden, daß wir ihm das Trinkgeld erst vor seinem Haus aushändigten, so daß jeder es sehen konnte.
Offenbar waren unbestechliche Beamte in Nigeria nicht gerade hoch angesehen!
Es war schon früher Abend, als wir Calabar erreichten. Das dortige kamerunische Konsulat, wo wir uns wegen des hier sehr günstigen Preises Visa austellen lassen wollten, hatte daher schon längst zu und so galt unsere Sorge einem sicheren Übernachtungsplatz. Der beste Ort um Informationen zu bekommen, war eine Kneipe, außerdem waren wir hungrig. Mit der Wahl des Restaurants machten wir einen Glücksgriff. Der freundliche Besitzer des ummauerten Anwesens klärte uns auf, daß es hier natürlich keinen bewachten Campingplatz gebe, aber er lud uns ein, unsere Fahrzeuge während der Nacht hinter die mit Glasscherben gekrönte hohe Mauer zu verbringen.
Er hatte einen Hund der Alarm geben konnte und außerdem eine Schrotflinte.
Hier waren wir sicher.
Der nächste Tag sah uns natürlich im Konsulat, morgen könnten wir unsere Pässe wieder abholen.
Wir sahen uns in Calabar und Umgebung um, sonst verlief dieser Tag ohne besondere Ereignisse und wir fuhren abends wieder zu unserem Freund um zu übernachten.
Morgens bezahlten wir und verabschiedeten uns von dem freundlichen Mann, er hatte eigentlich gar nichts für die Übernachtung gefordert, doch waren wir ja noch reichlich mit Naira versehen. Wir begaben uns zur angegebenen Zeit auf das Konsulat. Kurz vor Mittag erhielten wir dort unsere Pässe. In der Hafenstadt gaben wir dann noch unsere letzten Naira aus.
Die Straße die von Calabar nordostwärts führte, war schlecht, aber die Landschaft wunderschön und so erreichten wir den nigerianischen Grenzposten erst kurz vor Schlagbaumschluß am 27. Februar 1981. Deshalb kam es, daß der etwa 15 Kilometer entfernte kamerunische Grenzposten Otu schon geschlossen hatte, als wir ihn erreichten und die Nacht in dem Dorf an der Grenzstation verbringen mußten.