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Republik Kongo - Afrika |
Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem ersten Tageslicht weiter. Jetzt machte es sich deutlich bemerkbar, daß der Ubangi die einzige Verbindung zur Außenwelt war.
Bereits seit gestern waren vereinzelt Passagiere "zugestiegen". Diese wurden von Einbäumen, die mit erstaunlicher Präzision den richtigen Zeitpunkt dafür wählten und längsseits am Schiff festmachten, an Bord gebracht. Das Schiff änderte seine Geschwindigkeit nicht und folgte unbeirrt dem Fahrwasser, kreuz und quer durch den Fluß.
Aber nicht nur Passagiere, sondern alle Arten von Waren wurden aus- und eingeladen. Als Handelsgüter dienten Urwaldprodukte. Geschossene Affen und Vögel, Antilopen und Bündel mit geräucherten Fischen.
Reptilien wurden zumeist lebend gebracht. Schildkröten und Krokodile. Den letzteren war der Schwanz durchstochen worden, durch dieses Loch war ein Riemen gezogen der mit dem verschnürten Maul zusammengebunden war, die Tiere waren also krumm gebunden. Manchen waren auch die Beine nach oben gezogen und auf dem Rücken verschnürt. So wurden sie im Bauch der Ponton´s verstaut, in denen es nach ein paar Tagen von derartigem Viehzeug nur so wimmelte. Lebende Konserven.
Jetzt wurde den ganzen Tag über auf dem Schiff gebraten und mit Hilfe alter Öltonnen geräuchert um die frischen Waren bis Brazzaville haltbar zu machen. Dieses Treiben sollte bis zur Mündung des Ubangi in den Kongo anhalten.
Abends erfolgte das übliche Anlegen.
Die nächsten beiden Tage waren zwar sehr interessant für uns Reisende, eine Beschreibung erübrigt sich jedoch, da sich außer dem beschriebenen regen Handel und ein paar Tropengüssen nichts ereignete. Die Stimmung und das Empfinden, die Gerüche und Geräusche des Tropenwaldes lassen sich eben nicht beschreiben.
Am 14. April erreichten wir Impfondo, ein etwas größerer Stützpunkt am Ubangi. Hier gab es nicht nur mehrere Dutzend weiß gekalkte Häuschen, sondern dazwischen lagen regelrechte Schotterstraßen und sogar ein Jeep war zu sehen. Wieder wurden wir von der Sicherheitspolizei kontrolliert, wir fragten nach, aber von einer Sondergebühr für in den Kongo einreisende Touristen wusste man dort nichts. Doch war man an unserer Geschichte nicht ganz uninteressiert und sehr wahrscheinlich wurde dem erpresserischen Grenzbeamten bei nächster Gelegenheit ein Teil seiner Beute wieder abgenommen. Eine kleine Genugtuung für uns!
Eine Mutter stieg in Impfondo mit ihren beiden Kindern zu, das Mädchen sollte in Brazzaville operiert werden, da sich an ihrer Schulter Hautkrebs gebildet hatte, das Kind war sehr deprimiert und ließ sich nicht aufheitern.
Die weiteren Tage bis zum Erreichen des Kongoflußes verliefen ähnlich. Der Schubverband legte manchmal auch auf der zairischen Seite des Flusses an, bildete doch der Ubangi die Grenze, erst zwischen Zaire und Zentralafrika und, seit dem Grenzposten Betou, mit der Volksrepublik Kongo.
Unter einem riesigen Baum, der sich auf dem hier vielleicht zehn Meter hohen Steilufer erhob, standen ein paar rohe Holzbänke auf dem zairische Soldaten saßen. Diese nötigten uns, mit ihnen zu trinken, obwohl das Schiff wieder ablegen wollte. Wir mussten uns fügen.
Der Baum war wirklich gewaltig, mit seinen etwa drei Meter vorstehenden Brettwurzeln hatte er bestimmt 12 Meter Durchmesser und seine Höhe schätzte ich auf mindestens 60 Meter, eher sogar bedeutend mehr. Solche Bäume sahen wir zwar oft vom Wasser aus, jedoch sonst nie so nahe, weil diese in Dorfnähe in der Regel gefällt waren. Sollte solch ein Riese durch einen Sturm stürzen, ist ein ganzes Dorf platt.
Die drei Soldaten und ihr alter Korporal waren über die Abwechslung froh, und die friedliche spät nachmittägliche Urwaldstimmung des winzigen Dorfes mit seinen gackernden Hühnern verfehlte bei mir seine Wirkung nicht.
Ein Leben ohne Elektrizität, höchstens ein paar batteriebetriebene Radios brachten Kunde aus der fernen Welt in diese einfachen Holzhütten .
Endlich durften wir wieder weiterfahren.
Der Ubangi war zum großen Strom geworden.
Die lebenden und toten Waren stapelten sich jetzt überall an Deck, dazwischen die Passagiere, die auch mehr geworden waren.
Ich saß, wie so oft, auf den Holzstapeln. Unter mir zwei sehr beleibte Händlerinnen, die lebhaft schwatzten. In Afrika ist der Kleinhandel meist in Frauenhand. Die eine Handelsfrau hatte rechts und links je einen großen Korb neben sich. In dem einen befanden sich Hunderte lebende kleine Vögel, denen man die Flügel gebrochen hatte. Der andere füllte sich langsam mit den immer noch lebenden, aber mittlerweile bei lebendigen Leibe gerupften Vögelchen die entsetzlich piepten. Am liebsten hätte ich die Alte mit einem kräftigen Fußtritt ins Wasser befördert.
Das hätte mich jedoch in große Schwierigkeiten gebracht, war doch der guten Frau das Bösartige ihrer Tat gar nicht bewusst. Sie hielt manchmal, mit einem sich verzweifelt wehrenden Vogel in der Hand, mit dem Rupfen inne, um über eine lustige Erzählung ihrer Nachbarin zu lachen, bevor sie ihm die ungenießbaren Endstückchen des Flügel´s abbrach und ins Wasser warf.
Die meisten der Vögelchen waren nach zwei Stunden endlich tot.
Die Fahrt musste uns bald über den Äquator bringen und wir baten den Kapitän, bei dessen Erreichung die Schiffssirene zu betätigen. Dieser Wunsch wurde erfüllt. Irgendwo zwischen den Waldbäumen, an einer Stelle die sich natürlich in nichts von anderen unterschied, ertönte die Sirene und ich überquerte zum zweiten Mal diese imaginäre Linie von Nord nach Süd.
Bald war das Wasser tief genug um auch Nachts eine sichere Fahrt zu ermöglichen.
Beim Erreichen des Kongo wurden die Wassermassen wirklich gewaltig. Stellenweise war der Strom 10 Kilometer breit und immer wieder teilte er sich in viele Arme. Die Strömung war gering und schon seit dem Unterlauf des Ubangi trieben viele Pflanzen auf dem Wasser, stellenweise einen dichten Teppich bildend, der die ganze Breite des Flusses einnahm.
Weiter Stromabwärts, die bis jetzt topfebene Landschaft wurde hügelig, verengte sich der Fluß auf etwa 2 Kilometer und das Wasser floß sehr schnell dahin.
Boote gingen auf dem Kongo nicht mehr längsseits und wir landeten nur noch selten. Die Passagiere die jetzt zustiegen kamen zumeist vom Oberlauf des Kongo und alle wollten nach Brazzaville, so auch zwei Somalier mit denen wir uns anfreundeten.
Leider passierten wir die berühmten Stromschnellen des Kongo nachts, wir blieben wach, konnten jedoch im schwachen Sternenlicht nicht viel erkennen, außer daß unser Schiffsverband enorme Fahrt bekam.
Die Dörfer am Ufer wurden etwa die letzten 300 Kilometer allmählich häufiger und Schiffe und Boote begegneten uns.
Zeichen, daß wir uns wieder dichter bevölkerten Gegenden näherten.
Nach einer Fahrzeit von 9 Tagen endete am 19. April an der Lände der Hauptstadt Brazzaville, an der das andere Ufer des Kongo nicht mehr zu sehen war, eines meiner eindrucksvollsten Erlebnisse in Afrika.