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Ghana - Afrika |
Wer behauptet, an der Misere "Schwarz"-Afrikas sei nach mehr als einem halben Jahrhundert immer noch die koloniale Vergangenheit schuld, der verkennt die Wirklichkeit. Vom Dschungel überwucherte Bahnstrecken und verfallene Brücken, blutig unterdrückte und von Bildung und Fortschritt ausgeschlossene Minderheiten sowie brutale Polizeimethoden sprechen oft eine andere Sprache.
Einen unbestechlichen Beamten in Westafrika zu finden ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar weitet sich mittlerweile auch unter deutschen Politikern und Beamten die Korruption (bei uns verharmlosend "Nebeneinkünfte" genannt) seit Jahrzehnten unaufhaltsam aus, doch afrikanisches Niveau haben wir in Europa noch längst nicht erreicht. Dort setzt sich die Bestechlichkeit bis in die allerletzten Glieder der Beamtenschaft fort und das Wohl des Landes ist gegenüber dem des eigenen Geldbeutels völlig bedeutungslos. Nicht der fähigste und fleißigste Beamte, sondern der mit den besten verwandtschaftlichen Beziehungen macht Karriere, selbst wenn er völlig unfähig ist. Ein offizielles Amt wird allgemein als Lizenz zum Geld scheffeln betrachtet.
Zwar ist es richtig, daß beispielsweise vom Raubbau an der Natur westliche Firmen den größten Profit haben, doch wird diese Naturzerstörung durch immense Schmiergelder oder Gewinnbeteiligungen an hohe einheimische Beamte und Politiker erst möglich gemacht. Vorzugsweise, wenn nicht das Siedlungsgebiet deren eigener Ethnie von den Umweltzerstörungen betroffen ist, denn der Rassismus unter Afrikanern ist an der Tagesordnung.
Oft genug besitzen diese Leute, meist sind sie selbst Minister oder mit hohen Politikern eng verwandt, auch die lokalen Partnerfirmen der Weltkonzerne, welche die Ressourcen in Eigenregie ausbeuten und diese dann mit entsprechendem Mehrgewinn an die internationalen Konzerne verkaufen.
Zu befürchten haben diese Menschen so gut wie nichts, sie und ihre Vettern sind der Staat. Die Schmiergelder und Gewinne fließen dann zusammen mit veruntreutem Geld aus dem Staatshaushalt auf ausländische Konten. Auch Gelder aus Hilfs- und Entwicklungsprojekten versickern oft im Sumpf der Beamtenschaft. Weshalb viele Hilfsorganisationen dazu übergegangen sind, Projekte völlig in Eigenregie zu verwirklichen, was wiederum dazu führt, daß Schmiergelder an Beamte zwecks Genehmigung dieser Projekte gezahlt werden müssen. Mit anderen Worten: Beamte lassen sich dafür bezahlen, daß ihren Landsleuten geholfen werden darf!
Das Argument, die Einteilung in Kolonien und die daraus resultierenden heutigen Ländergrenzen quer über Stammesgrenzen hinweg seien an der Situation mitschuldig, ist rassistisch. Schließlich trifft das auch auf die florierenden asiatischen Länder zu, und selbst in Europa verlaufen ja die Staatsgrenzen unabhängig von Stammes- und Sprachgrenzen. Wer dieses Argument ins Feld führt, traut den Afrikanern einen Umgang mit solchen Problemen offenbar nicht zu.
Leider sind viele gut ausgebildete junge Afrikaner auch gar nicht daran interessiert am Aufbau des eigenen Landes mitzuhelfen, sondern setzen alles aufs Spiel um in einem westlichen Land die Möglichkeit zu suchen, einen gut bezahlten Job zu erhalten. Freilich sind auch die Arbeitsmöglichkeiten im Lande selbst meist eng begrenzt und der Verdienst gering, vor allem, wenn man keine guten Beziehungen zu wichtigen Leuten hat.
Das afrikanische Problem wird so auch mehr und mehr zu einem europäischen Problem.
Allgemein herrscht in Westafrika die Auffassung, das Leben in Europa komme dem Paradies gleich und so kratzen die Familienclans oft das letzte Geld zusammen, um bei den Menschenschiebern einen sehr teuren "Fahrschein" nach Europa für wenigstens ein Familienmitglied zu kaufen. Daß dabei das Leben aufs Spiel gesetzt wird, ist den meisten nicht bewusst. Obwohl das Leben in Europa in rosaroten Farben gemalt wird, was auf übertriebene Berichte von Rückkehrern beruht, ist man in Afrika, auch auf dem Land, besser über die politische Situation in Europa informiert, als mancher hier wahrhaben will. Das erklärt zum Beispiel auch, warum ein vor einiger Zeit von einem sinkenden Flüchtlingsboot im Mittelmeer geretteter "Mr. Smith" im TV-Interview in gutem Englisch erklärte, er stamme aus der Krisenregion Darfur. Es gab bei uns nicht wenige, die Anfangs dieser völlig abstrusen Geschichte Glauben schenkten. Was beweist, daß sich das Informationsgefälle umgekehrt zum Wohlstandsgefälle verhält.
Menschen deren Leben und Freiheit in der afrikanischen Heimat bedroht ist, sei es weil sie das Pech haben der falschen Religion oder Ethnie anzugehören oder sei es aus politischen Gründen, haben oft gar nicht die Möglichkeit außer Landes zu fliehen, schon allein weil sie keine Papiere erhalten. Jene die es trotzdem nach Europa schaffen, haben es eben wegen dieser vielen sogenannten "Wirtschaftsflüchtlinge" um so schwerer, hier eine sichere Zuflucht zu finden, da man ihnen zunächst per se nicht glaubt und der verfolgende Staat in keinem Fall eine Verfolgung bestätigen wird.
Wem das Wohl des eigenen afrikanischen Landes am Herzen liegt, der lebt eben gefährlich und kämpft auf völlig verlorenem Posten. Es gibt sogar Stimmen, wohlgemerkt von Afrikanern selbst, die eine Rückkehr der alten Kolonialmächte während einer Übergangszeit fordern, um die gesamte Bürokratie und Militärhierarchie auszuwechseln - was natürlich völlig illusorisch ist.
Wäre da nicht die kraftvolle und positive Lebenskraft der großartigen aber einflußlosen Landbevölkerung Afrikas, könnte man an den Aussichten dieses Erdteils für alle Zukunft zweifeln. Dennoch ist es fraglich, ob die ambivalenten Probleme jemals zu lösen sind und nur Ratlosigkeit bleibt zurück.
Doch es ist ein Hoffnungsschimmer, daß Ghana eines der sehr wenigen afrikanischen Länder ist, in denen sich die politische Lage stabilisiert zu haben scheint und in denen keine ethnischen Konflikte ausgetragen werden. Es bleibt zu wünschen, daß dies so bleibt und vielleicht sogar auf seine Nachbarländer ausstrahlt.