Reiseberichte | ||
Reise-Informationen | ||
Bangladesch - Asien |
Im Südwesten des zum allergrößten Teil nur wenige Meter über dem Meer liegenden Landes Bangladesch erstreckt sich, die indische Staatsgrenze überschreitend, auf einer riesigen Fläche das Delta der Ströme Meghna, Ganges und Brahmaputra.
Der südliche Teil dieses mit aberhunderten Wasserarmen durchzogenen Schwemmlandes, in dem es noch wildlebende Tiger gibt, wird Sundarbans (auch Sunderbans - bengalisch: Schöner Wald) genannt. Unter den Bengalen der Hauptstadt ging damals das Gerücht um, die Tiger des Deltas seien schon ausgerottet und die Naturschutzbehörden würden nur deshalb Rettungsprogramme für die angeblich nicht mehr vorhandenen Tiger inszenieren, um internationale Hilfsgelder kassieren zu können. Gut möglich, daß diese Gerüchte einen politisch gearteten Hintergrund hatten, denn die Sundarbans wurden fünf Jahre nach unseren Besuch, im Jahr 1984, zum Nationalpark und 1987 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Jedenfalls aber waren sie glücklicherweise nicht wahr, auch wenn der Bestand an Tigern damals bedrohlich auf (wenn ich mich recht erinnere) etwa 150 Exemplare geschrumpft war. Seither wächst die Zahl der Tiger wieder langsam, aber kontinuierlich an.
Wir waren aus dem Südosten des Landes, von einem Badeurlaub am 150 Kilometer langen Sandstrand bei Cox`s Bazar zurückkehrend, wieder in der Hauptstadt Dhaka (Dacca) angekommen. Nach sieben Stunden Busfahrt von Chittagong und zwei Stunden Hotelsuche quartierten wir uns schließlich im YWCA-Gästehaus ein, in dem wir die einzigen Gäste waren. Dort durften wir bleiben, weil wir uns als Ehepaar ausgaben.
Wir, meine Begleiterin und ich, hatten während unseres Strandurlaubs ebendiese Sundarbans zu unserem nächsten Reiseziel erkoren. Deshalb wollten wir an Neujahr diese Reise vorbereiten.
Heute war der letzte Tag des Jahres 1979, und nach einem kurzen Stadtbesuch, bei dem wir zu Abend aßen, legten wir uns schlafen.
Morgens gab es ein gutes Frühstück europäischer Art im Gästehaus. Dieses ist erwähnenswert weil sonst Bangladesch nur für ausgewiesene Fischliebhaber kulinarisch interessant ist, gibt es Fisch doch zusammen mit Reis zu allen drei Mahlzeiten. Selbst Gemüse war außerhalb der Hauptstadt nur selten in den billigen Restaurants zu bekommen.
Auf dem Touristenbüro holten wir uns das erhältliche Informationsmaterial über unser Reiseziel, dort erfuhren wir auch, wo wir die Tickets für das Linienschiff erhalten könnten. Dorthin begaben wir uns, nämlich zum BIWTC der "Bangladesh Inland Water Transport Cooperation", wo wir Fahrkarten 1.Klasse ab dem Hafen Barisal lösten, denn nur in dieser Klasse gab es Kabinen.
In der Stadt sahen wir Gruppen entsetzlich verkrüppelter Bettler, einer hatte drei Arme, drei Beine und eine schreckliche Geschwulst ragte aus seinem Bauch. Vor allem vor der großen Moschee lagen viele, einen rhythmischen Singsang, vermutlich Gebete, aufführend auf dem Boden und verlangten, fast aggressiv, von den Vorübergehenden Geld. Ein Zücken des Fotoapparates hätte hier üble Folgen haben können.
Die mildtätigen Moslems gaben reichlich und am Ende des Tages hatten die Bettelnden bestimmt den mehrfachen Betrag eines Tagelöhnerverdienstes in der Tasche. Gedankt wurde den edlen Spendern nicht, ist es doch die Pflicht jeden Moslems, die unschuldig in Not geratenen Armen zu unterstützen. Nicht selten werden eigene oder gekaufte Kinder auf dem Subkontinent gräßlich verstümmelt um als Bettler eine desto größere Tageseinnahme zu haben.
Abends gingen wir an diesem Tag ins Kino, wir hatten uns einen schwarzweiß gedrehten einheimischen Film in Bengali, der Landessprache, ausgesucht. Eine rührselige Liebesgeschichte eines Flußkapitäns zu einem Mädchen, das einen anderen heiraten musste. Am Ende des Dramas sank das Flußschiff samt Kapitän und Rivale im Sturm, nur die Geliebte überlebte. Wir verstanden natürlich kein Wort, aber die Bilder, die Musik, die Reaktionen der Zuschauer, die bei der zu Filmbeginn stehend gesungene Nationalhymne und die altmodische Atmosphäre des bis auf den letzten Platz besetzten Kinos machten den Besuch zu einem Gesamterlebnis.
Beim Verlassen des Kinos wurde meine Begleiterin unsittlich betatscht, aber aus den betont ahnungslosen Mienen der dichtgedrängten Menge war kein Schuldiger herauszufinden.
Zurück im YWCA staunten wir, der Koch servierte: Tomatensuppe, Schmorbraten, Kartoffeln, Gemüse, Reis und Salat! Bei dieser Verpflegung viel es uns leicht, den nächsten regnerischen Tag zu überbrücken, denn erst übermorgen ging unser Schiff.
An diesem Tag um 9 Uhr kaufte ich am Hafen lächerlich billige Fahrkarten 3. Klasse nach Barisal (für 4 Taka und 20 Paisa pro Karte, damals ziemlich genau 40 Pfennige) und unser einst chinesisches Schiff (wie wir an den zahlreichen, zwar stets übermalten, aber immer noch sichtbaren Prägungen der Schriftzeichen erkennen konnten), legte um 10:30 Uhr ab.
Wir freundeten uns mit ein paar Passagieren an, der Fluß wurde schnell immer breiter, so daß schließlich auf der linken Seite gar kein Ufer mehr zu sehen war. Das Fahrwasser was sehr belebt. Segel- und Motorgetriebene Fischkutter und Lastkähne, kleine und große Fähren und eine Unzahl kleiner geruderter Fischerboote begegneten uns. Nach Sonnenuntergang fuhren wir wieder durch kleinere Wasserarme, wie im Licht der grellen Schiffscheinwerfer zu sehen war. Als Europäern wurde uns erlaubt, im 1.Klasse Restaurant zu speisen. So gegen 10 Uhr erreichten wir Barisal, wir bezogen unsere Kabine, da wir ab jetzt erstklassig reisten und erreichten Khulna am nächsten Tag um 12 Uhr.
Das Schwemmland das wir durchquert hatten war zum größten Teil dicht mit Feldern, Kokospalmen und armseligen Dörfern besetzt, erst in der Nähe von Khulna zeigten sich größere Waldflächen. Mäandrierende Wasserläufe gab es jedoch überall in verwirrender Menge und überall herrschte Bootsverkehr. Vermutlich sogar waren viele der Dörfer nur über diese Wasserwege zu erreichen. Für die armen Bauern aber waren mit Sicherheit die Fische und Wassertiere in den zahllosen Wasserarmen eine unverzichtbare Proteinquelle.
Die drei Flüße Ganges, Brahmaputra und Meghna teilen sich in Bangladesch in so viele Arme auf, dass es fast unmöglich ist zu sagen, woher der Wasserarm den man gerade befährt, sein Wasser bezieht. Schon auf der indischen Seite spalten sich Wasserläufe von der Ostrichtung des Ganges ab und streben nach Süden. Aber auch der Brahmaputra, der mit seiner Aufnahme des Ganges Padma heißt, schickt zahllose kleine und größere Seitenarme weiter in alter Südrichtung ins Schwemmland. Vom Meghna schließlich zweigen noch einmal Wasserarme in westlicher Richtung ab. So, daß außer der lokalen Bevölkerung wohl niemand eine Ahnung hat, wohin all die Hunderte, wenn nicht Tausende von Wasserwege führen. Zumal Satellitenkarten auch nur Momentaufnahmen sind, da der nächste Monsun schon wieder alles völlig verändern kann.