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Bangladesch - Asien |
In Khulna (Kulna), der drittgrößten Stadt des Landes, war es nicht schwer, ein billiges und anständiges Hotel zu finden. Dafür erwies es sich als um so schwieriger, in die Wildnis der Sundarbans (Sunderbans) zu gelangen, obwohl die Stadt von dieser umgeben ist.
Es war Freitag, doch war das Tourist Office trotz des muslimischen Ruhetags geöffnet. Aber das half uns nicht weiter, die von hier vermittelten Luxusausflüge sollten umgerechnet zwischen 100,- und mehr als 600,- Mark kosten. Letzteres war wesentlich mehr als als unser Etat für den gesamten einmonatigen Aufenthalt in Bangladesh vorsah.
Ein Fischerboot zu mieten erwies sich als sehr schwierig, da die einfachen Leute nur Bengali sprachen.
In Khulna wurden wir als Fremde überall bestaunt. Als wir an einem Straßenstand eine Cola tranken, zählte ich nicht weniger als 27 Zuschauer, die uns staunend umstanden. Selbstverständlich war meine Begleiterin züchtig bekleidet und auch ich trug wie stets Jeans und langärmliges Hemd.
Ähnliche Aufmerksamkeit habe ich mehrfach in abgelegenen Gebieten des indischen Subkontinent´s erlebt.
Durch Zufall fanden wir einen Reiseagenten, der Fahrten für die einheimische Mittelschicht in die Sundarbans organisierte. Die Preise waren jetzt natürlich zivilisiert. Zwei Tickets kosteten 11 Mark. Dafür wurden wir in aller Frühe dann sogar von unserem Hotel abgeholt. Um 8:30 legte unser kleines hölzernes Schiff am Hafen ab, die Fahrt ging zunächst drei Stunden bis Mangla (Mongla, Mengla), wo wir wieder anlegten und uns eine Genehmigung der Forrest Division zur Weiterfahrt in den geschützten Teil der Sundarbans erteilt wurde. Auch wegen solcher Kontrollen war es uns nicht möglich gewesen ein privates Boot in die Sundarbans zu chartern. Von dort verlief die Fahrt auf dem etwa zwei Kilometer breiten Wasserarm noch etwa sieben Kilometer nach Süden, dann schwenkten wir in einen der kleineren, aber immer noch vielleicht 200-300 Meter breiten Wasserläufe ein.
Bis auf ein paar Honigsammler, die als kleines Camp eine Pfahlhütte errichtet hatten, war der mit Mangroven und mir unbekannten Bäumen bestandene Wald völlig Menschenleer.
Deutlich konnte man beobachten, wie das Wasser stetig Schwemmsand forttrug, der immer wieder nachfiel und die Wurzeln der Pflanzen etwa einen Meter über der Wasserlinie freilegte. Dies war aber freilich nicht nur hier in den Sunderbans so, sondern das geschah praktisch in fast ganz Bangladesch. Ein paar hundert Meter flußabwärts lagerte sich der Sand wieder in Bänken an und bildete neue Inseln. Aus diesem Grund war auch nirgendwo ein großer alter Baum zu sehen, höchstens im Innerern sehr großer Inseln konnte es solche geben..
Wir waren etwas weniger als 40 Erwachsene und etliche Kinder an Bord. Alle waren Städter und hatten eine Vorstellung der Sundarbans, die wilder Phantasie entsprang. Menschenfressende Tiger, gefährliche Krokodile und überall lauernde oder sich gar von den Bäumen auf ihre menschlichen Opfer stürzende Giftschlangen bevölkerten diese.
An irgendeinem kleineren Seitenarm der sich ständig verzweigenden Wasserläufe legten wir an. Zuerst betrat ein mit einem Gewehr bewaffneter Wächter den Sundarban (- ich hoffe, daß 'Sundarbans' auf Bengali ein Plural ist und die Einzahl so lautet). Die mutigsten folgten ihm etwa 30 Meter in den Wald. Diese Gelegenheit nutzte ich um seitlich an ihnen vorbei in den Wald einzudringen. Überall drangen junge Mangrovenwurzeln aus dem sandigen Boden, so, daß das Vorwärtskommen schwierig war. Ich war von der Gruppe aus gerade noch sichtbar, als einer gewahr wurde, daß der verrückte Europäer im Begriff war, im Wald zu verschwinden. Sofort erhob nicht nur er, sondern die ganze Gruppe ein Riesengeschrei.
"Snakes!"
"Tigers, Tigers!"
"Come back!" "Come back!"
"Snakes!"
Niemand jedoch getraute sich, zu mir zu kommen um mich abzuholen.
Jetzt passierte Unglaubliches! Das riesige Megaphon, das auf dem Dach des Steuerhauses angebracht war, begann bengalische Schlager zu dröhnen, die meilenweit zu hören waren. Auch meine sofortige Rückkehr zur Gruppe beendete diesen völlig unangebrachten Lärm nicht, war er doch nicht meinetwegen entfacht worden, sondern um den bengalischen Frauen, von denen die meisten bis jetzt an Bord geblieben waren, das Gefühl der Sicherheit zu geben und wahrlich, der hungrigste Tiger hätte, auch wenn er noch zwei Kilometer entfernt war, mit Sicherheit die Flucht ergriffen.
Ein erneuter Ausbruchsversuch von mir wurde wiederum verhindert, das Betreten des Waldes ohne Aufsicht sei von der Behörde nicht erlaubt.
Das Ganze begann mir sauer aufzustoßen. Die Gruppe versammelte sich jetzt am Schiff, die Frauen und Kinder gesellten sich zu ihnen und nachdem etwa eine halben Stunde vergangen und fast sämtliche Pflanzen an der Anlegestelle als Souvenirs ausgerupft waren, stiegen wir wieder ins Boot und tuckerten zurück.
Ich war mißmutig gestimmt und da es kühl war und obendrein zu regnen begann - ich hatte mich schon an das tropische Klima des Subkontinents gewöhnt - begab ich mich unter Deck.
Dort saß ein pensionierter Polizei-Sergeant mit seiner ganzen Familie. Mit diesen unterhielten wir uns bis wir um 10 Uhr abends wieder in Khulna einliefen.
Das also war das hochinteressante Naturerlebnis der Sundarbans. Naja, billig war´s auf jeden Fall und wenn ich auch mehr erwartet hatte, viel mehr Erlebnisse kann man von einer solchen Wasserwelt ohne eigenes Boot wohl nicht erwarten, immerhin hatten wir etliche Vögel und den Mangroven-Dschungel mit seinen weitverzweigten Kanälen von Nahem gesehen.
So ganz von der Hand zu weisen war auch die Gefahr von Giftschlangen nicht, kam es doch auf meinen Reisen, davor und auch danach, verschiedentlich zu Begegnungen mit Kobra´s und anderen Giftschlangen. Wenn auch diese keine angriffslustigen Monster sind, kann eine solche Begegnung unter Umständen sehr gefährlich werden. Deshalb hatte ich auch Verständnis für den Veranstalter der Tour, der ein eventuelles Unglück hätte ausbaden müssen.
Die bengalischen Touristen und für solche war der Ausflug ja gedacht, waren jedenfalls vollauf zufrieden.
Um 6:30 am nächsten Morgen ging´s aus den Federn, bzw. dem Moskitonetz, denn um 7:15 fuhr unser Bus nach Dhaka. Der Busfahrer war ein junger Dandy, wie sie in Bangladesh öfter hinterm Steuer zu finden sind. Die Fahrt ging nordwärts durch die flache Landschaft und ich hatte dabei ein paar mal die Gelegenheit, "Baumfällarbeiten" auf bengalisch zu sehen. Nicht etwa mit der Axt oder Säge wurden in dieser Gegend alte mächtige Bäume gefällt, sondern mit Hilfe eines kontrollierten Feuers, das unten am Stamm glimmt bis der Baum fällt.
Die Dörfer und Städte machten, wie überall in diesem Land, einen sehr ärmlichen und heruntergekommenen Eindruck. Dies lag aber auch an dem feuchten Klima, das durch häufige Niederschlage und hohe Luftfeuchtigkeit die Farben der Gebäude bald in gräuliche Töne verwandelte. Ab und an begegneten uns neue weiße VW-Busse mit "UNICEF" Aufschrift, in denen reiche Bengali mit ihren Familien Ausflüge machten. Bei einem Halt sah ich einen Verkaufsstand, der unter anderem Milchpulver aus Kartons mit der Aufschrift "Spende des Deutschen Roten Kreuzes" verkaufte. Es war nicht das erste Mal, daß ich so etwas auf einem Basar sah.
Nach einiger Zeit verlor ein vor uns fahrender LKW seine komplette Hinterachse. Der Rahmen der Ladefläche krachte auf die Straße und die Achse mit den Rädern rollte davon. Dies blockierte die Straße, die wegen der häufigen Überschwemmungen in Bangladesh auf einem aufgeschütteten Damm verlief. Erst nach einer halben Stunde konnten wir das mittlerweile entladene und beiseite gezogene Fahrzeug umfahren. Zweimal mussten wir mit Fähren Flüße überqueren, einmal fuhr die Fähre eine halbe Stunde den Ganges stromauf, bevor wir die Fortsetzung der Straße erreichten, die jetzt in einem Bogen wieder südostwärts führte.
Unser Fahrer lieferte sich die letzten hundert Kilometer mit einem anderen Busfahrer ein halsbrecherisches Rennen, das uns bis nach Dhaka, das wir um fünf Uhr wieder erreichten, tüchtig durchschüttelte.