Dort, wo die Treppenarkaden in den eigentlichen Tempelbereich mündeten, fand sich, ohne erkennbaren Übergang von der profanen zur spirituellen Nutzung des Gebäudes, plötzlich mitten im Gewühl der Menge eine religiöse Statue. Diese aber war für mich nur durch ihre Größe, die ihr aber keine Spur von etwas Spirituellem gab, von den Honkong-Figuren aus Plastik der Händler draußen zu unterscheiden. Ich hatte in einem buddhistischen Tempel Stille und Einkehr erwartet, nun aber umgaben mich schwatzende, lachende und rauchende Chinesen.
Endlich ein doch Zeichen von Andacht - eine Alte, die Räucherstäbchen entzündend und betend vor einer der in Glasvitrinen aufgestellten Götterfiguren verharrte, und dabei die eher stinkenden als duftenden Stäbchen zwischen ihre gefalteten Hände klemmte.
Ich war fast überrascht und drückte, meiner unüberlegten Regung folgend, meine brennende Zigarette so unauffällig wie möglich aus und sah mich um. Aber niemand beachtete mich oder die Alte, hätte man meine Hemmungen gekannt, man hätte mich vermutlich ausgelacht. Bei den Chinesen war es anscheinend völlig normal, während des Gottesdienstes zu Rauchen.
Ich war etwas verwirrt von dieser fremden Form der Gottesverehrung und wir verließen dieses erste Tempelgebäude. Wir folgten einer chinesiuschen Familie weitere Treppen hinauf, an Schildkrötenteichen vorbei und gelangten schließlich in einen Saal, in dem wir ungefähr die gleichen Figuren wie unten antraf, nur waren diese diesmal gute zwei Meter hoch, was in meinen Augen aber nur den kitschigen Eindruck eher verstärkte, den die Tempelstatuen machten.
Die Luft war drückend durch das obligatorische Räucherwerk, das den gesamten Tempel einhüllte, obwohl alle Fenster und Tore offen standen.
An Farben herrschten Rot und Gold vor, doch konnten auch Farben dem Ganzen nichts von der nüchternen Weltlichkeit nehmen, den der Kek Lok Si Tempel auf mich machte.
Nun folgte Halle auf Halle, Götterfigur auf Götterfigur, Zigarettenverkäufer auf Teestube, auch Coca-Cola durfte im Warenangebot natürlich nicht fehlen. Sogar neben dem säbelschwingenden und vampirzähnigen Dämon, unter dem großen Bildnis des Klosterstifters und seiner Frau, die sich mit ihrem Geld einen guten Platz im Jenseits gesichert hatten, befand sich ein Erfrischungsstand.
Die ganze Anlage war nicht mehr als ein paar Jahrzehnte alt und ein echtes Kunstwerk suchte man hier wohl vergeblich. Nichtsdestrotrotz waren vergoldete Figuren unter Glasvitrinen vor Berührungen geschützt.
Die Besucher, denn es widerstrebt mir fast, zu sagen "die Gläubigen", blieben hier und da stehen um zu beten, den Göttern zu opfern oder sonstige rituelle Handlungen zu vollziehen, um gleich darauf fröhlich plaudernd weiterzuwandern. Die in Weiß gekleideten Mönche und Nonnen waren mit ihrem Reden und Lachen auch nicht gerade dazu angetan, das Bild der Religiosität in meinen westlichen Augen zu steigern.
Als wir zum Schluß die alles überragende steinerne Pagode der "10.000 Buddhas" erstiegen, um dort oben die hervorragende Aussicht über Penang zu genießen, hatten wir endlich einen Überblick über die ganze Anlage von Kek Lok Si.
Ich versuchte das hier Gesehene zu verstehen, als ich auf den für normalen Besucher unzugänglichen Klostertrakt mit dem Wohnbereich der Mönche und Nonnen hinunter blickte. Mir wurde die unbegreifbare Fremdheit Asiens klarer denn je.
Alleine die hier praktisch erlebte und in der täglichen Banalität stehende Religion des Buddhismus, welche alle Aspekte des Lebens erfasst, in mir aber eher Vergleiche mit Disney-Land aufkommen ließ. Von dieser fremden Welt war ich wohl für ewig ausgeschlossen, denn Geburt und Erziehung des Abendlandes hatten mich geprägt. Unter Weisheit und Spiritualität stellte ich mir etwas anderes vor. Aber trotzdem, oder gerade deshalb, fühlte ich mich unwiderstehlich vom fremden Zauber des asiatischen Kontinents angezogen.
In diesem Augenblick störte der Lärm eines nahe vorbeifliegenden Helikopters meine Gedanken.