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Nepal - Asien |
Als wir am Sonntag, dem 09.12.79 in aller Frühe das Postamt erreichten, war der staatliche Bus nach Pokhara leider bereits abgefahren. Deshalb begaben wir uns zum Busbahnhof, wo wir bis 8:30 warten mussten, bis unser Bus endlich startete. Wir hatten gute Sitzplätze ergattert, doch hielt der Bus leider an jeder, auch der kleinsten, Haltestelle. Ein redseliger Nepalese mittleren Alters, der ununterbrochen auf mich einquatschte, begann schon nach kurzer Zeit ziemlich zu nerven. Dem war nur dadurch abzuhelfen, daß ich ihn bald völlig ignorierte, was seinen Redefluß jedoch keineswegs minderte. Gut möglich, daß der brave Mann trotz der frühen Stunde schon ziemlich bekifft war. Vielleicht suchte er ja mit diesem Hilfsmittel eine Reisekrankheit zu besiegen. Er schien es kaum zu bemerken, daß ich mich schon seit längerem angeregt mit meiner Begleiterin unterhielt.
Nach etwa zwei Stunden erlahmte glücklicherweise so langsam seine Redeenergie und wir konnten das grandiose Panorama in vollen Zügen genießen.
Daß der Nepalese Angst vor Reisekrankheit hatte, war leicht nachvollziehbar. Die nur aus Kurven bestehende Straße verlief ohne feste Begrenzung in den steilen Hängen des Vorgebirges, die oft über und über bis fast an die waldbedeckten Gipfel mit schmalen Reisterrassen besetzt waren. An den selbst für Terrassen zu steilen Stellen wand sich die Straße durch dichte Vegetation. Meist schlängelte sich viele hundert Meter tiefer das weiße Band irgendeines Flußes durchs Tal. In der Ferne schimmerten die gigantischen schneebedeckten Berge und in den Dörfern mit ihren kleinen strohbedeckten Häuschen, die natürlich ohne Stromversorgung waren, schien sich seit dem Mittelalter nicht viel verändert zu haben.
Die gleiche romantische Stimmung wie bei meiner ersten Nepalreise nahm mich gefangen. Nepal ist zweifellos eines der schönsten Länder der Welt!
Aber solche Schönheit und Romantik bedeutet immer auch bittere Armut.
Maschinen standen den Kleinbauern nicht zur Verfügung, alle Arbeit musste, wie eben im Mittelalter, per Muskelkraft erledigt werden, dazu die steilen Hänge! Auch Frauen und sogar kleine Kinder blieben von dieser schweren Arbeit keineswegs verschont. Oft waren die Bauern nicht einmal Besitzer, sondern nur Pächter der Felder.
Dieser Umstand machte das mittelalterliche Bild perfekt.
Hörige!
Ein Umstand, der sich dem flüchtigen und uninformierten Betrachter jedoch natürlich nicht von selbst erschloß.
Es empfiehlt sich für Besucher exotischer Länder doch sehr, im Vorfeld einer Reise nicht nur touristische Führer zu lesen, sondern auch Bücher, die sich mit der aktuellen politischen und ökonomischen Situation des jeweiligen Landes befassen.
Gegen 17:00 näherten wir uns Pokhara, die von den Chinesen als Entwicklungshilfe gebaute Brücke, die über das tief eingeschnittene Bett des davor liegenden Flußes führte, war eingestürzt und so passierte unser Bus den Fluß über eine Furt.
Selbstverständlich wurde der Bus wieder von einer großen Schar Schlepper erwartet.
Wir wollten jedoch gleich mit einem Taxi an den See. Ein Junge wollte mir für 6 Rupien eine Taxenfuhre an den See besorgen, falls ich in seinem Hotel absteigen würde. Mir war es jedoch nur darum gelegen, einen Taxifahrer zu Gesicht zu bekommen und so ging ich nur zum Schein auf sein Angebot ein. Es dauerte ziemlich lange, bis er wieder zurück war und auf ein anfahrendes Taxi zeigte, in dem bereits 4 Leute saßen.
"Sechs Rupien für uns beide bis an den See!"
Wandte ich mich an den Fahrer.
Fragend sah dieser den Jungen an, der zustimmend nickte.
"Ok!"
Meine Freundin und ich setzten uns neben den Fahrer während sich der Junge im Fond neben die Nepalesen quetschte und los gings. Am Flugplatz außerhalb des Städtchens, der ziemlich genau auf halber Strecke lag, stiegen die drei nepalesischen Fahrgäste aus, wobei jeder von ihnen eine Rupie bezahlte, drei Rupien pro Person bis an den See war also ein durchaus angebrachter Preis. Doch schon an der Abzweigung zum See, etwa 200 Meter weiter hielt unser Taxi an und der Junge deutete auf ein kleines "Hotel", ein einfaches Bauerhaus mit einem Schild im Garten, am Straßenrand.
"Wir sind da!"
Ich verlangte jedoch vom Taxifahrer an den See gefahren zu werden.
"Das kostet 10 Rupien!"
Mir platzte der Kragen und ich hieb mit der Faust auf das Armaturenbrett.
"Du fährst uns jetzt sofort für den vereinbarten Preis an den See, oder wir steigen aus und du erhältst keinen Paisa von uns!"
Er zögerte einige Zeit, was meine Wut noch steigerte und ich schob kurzerhand meine Freundin aus der Taxe, lud im Handumdrehen unsere Reisetaschen aus und schon marschierten wir Richtung See.
Jetzt erst schalteten die Nepalesen.
"Ok, six Rupies!"
Natürlich reagierten wir nicht mehr.
Nun ebenfalls in Wut, brüllte uns der Fahrer nach:
"Fuck you... Fuck your... Fuck your... Girlfriend!"
Ein höchst überflüssiger Ratschlag, wie ich fand.
Ursprünglich hatte ich vorgehabt, den Jungen der uns das Taxi besorgte mit einer Rupie zu entschädigen, doch ging er jetzt natürlich auch leer aus. Der See lag noch eine gute Strecke entfernt und endlich erreichten wir das von zahlreichen Lodges und Restaurants besetzte Ufer, wo wir uns gleich auf die Suche nach einer Unterkunft machten.
Dabei kam uns ein Nepalese entgegen.
"Oh, you come again?"
Es war der Wirt des "Trekkers Retreat", bei dem ich zwei Jahre vorher gewohnt hatte (siehe meinen Reisebericht "Hippie trail"). Doch quartierten wir uns diesmal in einer anderen Lodge ein. Der Preis unseres kleinen "Bungalows" dort betrug 20 Rupien, also etwa 1,50 DM pro Person und Tag.
In einem Restaurant trafen wir auf Magnus, mit dem wir dann am Abend auf Kneipentour gingen, denn in Nepal gab es zwar relativ teures (knapp 1.- DM/Flasche - somit fast der Preis eines Mittagessens aus Gemüse mit Reis) aber auch gutes Bier nach "deutschem Rezept" und in allen Kneipen lief aktuell moderne westliche Musik.
Am nächsten Tag mieteten wir Fahrräder, mit denen wir nach Pokhara fuhren, um in der kleinen Stadt auf einer Bank Schecks umzutauschen. Wieder zurück nahmen wir uns ein Boot, mit dem wir auf den See ruderten. Der alles beherrschende Gipfel des knapp 7000 Meter hohen Machapuchare ragte weit vorgeschoben aus dem Anapurnamassiv, ein faszinierender Anblick. Die Felsspitze hat gewisse Ähnlichkeit mit dem Matterhorn, nur ist dieser für die Nepalesen heilige Berg um mehr als ein Drittel höher.
Dazu die Szenerie der dichten tropischen Vegetation der Hügel südlich und der Reisterrassen an den Hügeln nördlich des Sees.
Wir begegneten bald einem anderen Boot, das mit Magnus und einem weiteren Deutschen besetzt war. Wir veranstalteten ein Bootsrennen über den etwa 3 Kilometer langen See, badeten in der Mitte des Gewässers und trieben sonst noch allerlei Unfug, fast bis es dunkel wurde.
Pokhara war ein Ort zum Faulenzen, die Restaurants waren stolz auf ihre Gerichte und vor allem ihre Kuchen westlicher Art, doch auch aus einem anderen Grund wurde dieser Ort von manchen besucht.
Ganze Kinderscharen, im Alter vielleicht zwischen 6 und 10 Jahren, verkauften offen so ziemlich alle Drogen die damals üblich waren. Nicht nur Haschisch, das in Nepal so verbreitet war wie bei uns das Bier, sondern auch "harte" Drogen wie Opium, Rauschpilze und sogar Heroin. Glücklicherweise gab es jedoch mehr Verkäufer als Käufer, wie es schien, und nachdem man sie ein paar mal abgewiesen hatte, wurde man von den Kids nicht weiter belästigt.
Auch vom organisierten Tourismus war der romantische Ort mittlerweile entdeckt, noble Lodges waren entstanden und sogar etliche betuchte Touristenfamilien aus Indien tummelten sich an dem malerischen künstlichen See, über dem sich in diesen kurzen Tagen der Erholung auch einmal ein heftiges Gewitter entlud.