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Indonesien - Asien |
Jakarta war nun wieder eine der asiatischen Megastädte, wie wir sie auf unserer Reise schon verschiedentlich kennen gelernt hatten.
Vom Hafen fuhren wir in völlig überfüllten Bussen in die Stadt. Die Hotelsuche gestaltete sich schwierig, noch dazu hatten wir wenig Zeit. Wir mussten dringend Geld wechseln, aber es war Freitag, und an diesem Tag hatten die Banken in Jakarta nur bis 11 Uhr geöffnet.
Überall sah man in Jakarta Gegensätze, moderne Betongebäude gleich neben verwahrlosten alten Schuppen, große saubere Parks neben stinkenden Kanälen voller Unrat, gegraben noch in holländischer Kolonialzeit. Die Stadt erinnerte mich eher an den indischen Subkontinent als an andere Städte in Südostasien. Auf den breiten Straßen tuckerten die seltsamsten Kabinenroller die ich je zu Gesicht bekommen hatte, als Passagier-Rikschas durch den chaotisch brausenden Verkehr. Dazu kam die feuchte Hitze, um 17 Uhr betrug die Temperatur immer noch 32° Celsius. Man hatte ständig das Gefühl, die Haut des ganzen Körpers sei von einer dünnen feuchten Schmutzschicht überzogen, und eine Dusche ließ dieses Gefühl nur für kurze Zeit verschwinden.
Da uns Jakarta also nicht sehr zusagte und wir die Stadt sowieso ein zweites Mal besuchen mussten, beeilten wir uns, das Notwendige zu erledigen. Es galt bspw. den Weiterflug nach Singapur zu buchen und im Touristenbüro Landesinformationen zu holen. Wir hatten nur einen "Reiseführer" dabei, welcher auf etwa 100 Seiten ca. 120 Länder der Erde beschrieb. Dieser enthielt zwar alles Wichtige, was es über ein Land zu wissen gab, doch kamen die Sehenswürdigkeiten zu kurz. Nur einige Städte und Orte waren stichwortartig darin gelistet. Damals, im Jahr 1980, gab es sonst kaum Reiseführer für Rucksacktouristen über bestimmte Länder, und wenn doch, hatte praktisch niemand so etwas dabei. Touristenbüros sowie die Treffpunkte der Reisenden waren deshalb für uns wichtige Einrichtungen.
Nach einem Tag Aufenthalt verließen wir also Jakarta mit dem Nachtzug nach Yogjakarta. Es versprach eine angenehme Fahrt zu werden. Wir unterhielten uns am Anfang der Fahrt, als der Zug während eines heftigen Gewitters noch durch die riesigen Außenbezirke - allesamt Slums - von Jakarta fuhr, mit einem Polizei-Ausbilder, und gegen 22 Uhr rollte ich meine Kokosmatte auf dem Gang des Waggons aus, um zu schlafen. Im Gegensatz zu den indischen Zügen war dieser indonesische nämlich nicht völlig überfüllt. Ich erwachte allerdings bereits etwa zwei Stunden später durch ein unglaubliches Chaos. Hunderte von Verkäufern drängelten auf einem großen Bahnhof laut schreiend durch den Gang, rücksichtslos über mich und meine Matte polternd:
"Nasi! Nasi-Nasi-Nasi! Nasi!"
"Green Spot! Green Spot!" erklang dazwischen die Softdrink-Werbung.
"Roti! Roti! Roti!" pries ein Dritter seine Brötchen an.
"Colonjet-Colonjet-Colonjet! Colonjet-Colonjet-Colonjet!" übertönte einer dazwischen mit hoher Fistelstimme die Vielzahl der Angebote. Null Ahnung was dieses verdammte "Colonjet" war, vielleicht Kölnisch Wasser oder Kaugummi.
Zu allem Überfluß waren alle Passagiere durch das unbeschreibliche Getöse erwacht und einige hatten sich auf die Beine gemacht, um sich zur Toilette durchzuwinden, wie am Geruch einiger Füße dicht neben meiner Nase zweifelsfrei zu erkennen war. Das war zu viel, so richtete ich mich auf und drängte die Händler mit Ellbogen und Händen zurück, um mich zu erheben. Meine Matte konnte ich allerdings erst einrollen, als der Zug langsame Anfahrbewegungen machte, denn bis dahin war es wegen der vielen Füße darauf unmöglich. Einen eiligen Nachzügler aber hielt ich auf und blaffte den perplex Erstarrten heftig und zornig auf Deutsch an. Die nun wieder eintretende Ruhe im Zug erschien mir jetzt fast geisterhaft. Auf der Kokosmatte aber würde ich mit Sicherheit meinen Kopf nicht mehr niederlegen bis sie gewaschen war, und so verbrachte ich den Rest der Fahrt dösend auf dem Sitz.
Yogjakarta war nun wieder eine ausgesprochen angenehme Stadt. Auch war es hier sehr einfach, mit Hilfe einiger Schulkinder, welche uns angesprochen hatten, um uns über unsere Herkunft auszufragen, eine Straße mit einigen billigen Losmen zu finden. Losmen sind in Indonesien so eine Art größere Pensionen mit Familienanschluß, oft mit guter Küche. Wir bezahlten dort damals 300 Rupiahs pro Person und Übernachtung, weniger als eine DM. Zwar stand nur eine der in Indonesien üblichen Schöpfduschen zur Verfügung, doch machte unsere Losmen einen sauberen Eindruck und das Essen war sehr schmackhaft, weshalb wir nur selten außer Haus aßen. Deshalb waren die Einnahmen, welche die gastgebende Familie durch uns hatte, doch um einiges höher als nur die 300 Rupiahs, welche wir für die Übernachtung bezahlten.
Von unserer Losmen-Familie hatten wir nun erfahren, dass man in Yogjakarta Probeaufführungen aus dem Ramayana Epos beiwohnen konnte, das als Schattenspiel oder "Wayang Kulit" gegeben wurde. Eine Rikscha brachte uns dorthin. Die Probe hatte bereits begonnen, trotzdem kostete der Eintritt 600 Rupiahs. Das ganze gewaltige Ramayana sollte dann später zu einem bestimmten traditionellen Anlass während einer Vorstellung aufgeführt werden, welche eine ganze Nacht lang währte. Das Schattenspiel-Theater konnten die wenigen Zuschauer, außer uns alles Indonesier, umgehen und so die Szene von vorne und hinten betrachten. Vorne spannte sich eine große, von hinten beleuchtete Mattscheibe aus weißer Leinwand, hier saßen die Zuschauer wie im Kino. Die Rückseite barg die Hauptperson, den Spielvorführer, sowie ein etwa 10 Musiker umfassendes Gamelan-Orchester. Der Vorführer war auch gleichzeitig der Erzähler, er musste das ganze Ramayana auswendig beherrschen. Auf seiner rechten Seite lag ein Klöppel, mit dem er die Dialoge anschlug und damit wohl auch dem Orchester Zeichen gab, auf der Linken und hinter ihm lagerten die Figuren aus Büffelleder. Um die Spielfiguren dynamisch erscheinen zu lassen, bewegte der Vorführer manchmal die Schattenspiel-Figuren von der Mattscheibe weg, so erschienen die Schatten größer. Eine Person außer Atem wurde zum Beispiel mit dem Kopf an die Mattscheibe gedrückt, während der Körper schnell vor und zurück bewegt wurde, was von der anderen Seite betrachtet tatsächlich den Eindruck einer kurz und schnell atmenden Person erweckte. Büsche und Bäume waren in der gleichen Art wie die Figuren gefertigt, sie dienten nicht nur der Dekoration, sondern waren, wenn sich etwa eine Gestalt im Zuge der Handlung vor anderen verbergen musste, auch ein notwendiges Utensil. Die Dialoge waren anscheinend teilweise recht lustig, jedenfalls lachten die Zuschauer des öfteren, da wir aber nun leider kein Wort verstanden, verließen wir das Schattenspieltheater nach etwa zwei Stunden wieder.
Natürlich wurde man auch in Yogjakarta als Tourist von Schleppern angesprochen, welche sich Geschäfte irgendeiner Art versprachen. Einer von ihnen machte uns neugierig und wir begleiteten ihn - wohl wissend, dass uns hinterher, wenn man nämlich nichts kaufte, etwas Stress mit dem Kerl bevorstand - zu der Galerie eines sehr bekannten Batik-Malers. Mir verschlug es ob der Schönheit der kunstvollen Batiken glatt die Sprache. Natürlich kauften wir hier vorerst nichts, aber die Faszination der Batiken hatte mich doch gepackt und so verbrachten wir die nächsten Tage etliche Zeit mit der Besichtigung weiterer solcher Galerien, um dann am letzten Tag einige ausgewählte und relativ günstige Batiken zu kaufen. Immerhin gab ich bis zu 7500 Rupiahs für eine besonders schöne große Batik aus, andere waren allerdings mit weit weniger als der Hälfte deutlich billiger. Für 4 weitere große Batiken und zwei in etwas kleinerem Format bezahlte ich zusammen 23.000 Rupiahs, der offizielle Wechselkurs betrug an diesem Tag 324 Rupias pro DM. Doch noch immer hängt diese teure Batik an meiner Wand, der Kauf von Kunst hängt eben nicht vom Preis, sondern mehr von Qualität und Geschmack ab, und Kunst waren diese Batiken zweifellos.
Das waren nun allerdings relativ gewaltige Summen. Yogjakarta war die ärmste Provinz Javas, und so wurde man hier, ähnlich wie in Jakarta, doch ziemlich an Indien erinnert. Es gab viele Bettler und eine Bettlerin tat mir besonders leid. Als ich sie beobachtete, zählte sie gerade ihre Einnahmen durch. Sie ging mit den wenigen 5 Rupiah-Stücken so sorgfältig um, als wären sie aus purem Gold...
Ein Beispiel um den Wert des Geldes abschätzen zu können: Keine Bank gibt den offiziellen Wechselkurs, da wir aber zusammen einen etwas größeren Betrag von 300 Mark wechseln wollten, lohnte es sich durchaus, länger nach der Bank mit dem besten Wechselkurs zu suchen. Die Differenz zwischen bestem und schlechtestem Kurs lag bei 5 Rupiahs pro Mark, machte also am Ende 1500 Rps. aus. Aus diesem Grund handelten wir mit einem Rikschafahrer einen Preis von 200 Rupiahs für eine Stunde Fahrt aus, um die verschiedenen Banken abzuklappern. Die ganze Geschichte dauerte allerdings etwas länger, auch wenn der Rickschafahrer einen Großteil der Zeit mit Warten verbrachte. Trotzdem war er am Ende glücklich und strahlte übers ganze Gesicht, als er die 200 Rupiahs ausgezahlt bekam, er fuhr uns sogar noch kostenlos zum Tourist-office. Noch ein paar Tage später winkte er mir fröhlich rufend zu, als ich ihn erneut mit seiner Rikscha auf der Straße radeln sah.