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Thailand - Asien |
Mein Bus fuhr in weiten Strecken durch fast unberührten bergigen Urwald nach Norden. Plötzlich riß der Fahrer das Steuer herum und vollführte einen Schwenker, um eine dicke, etwa anderthalb Meter lange, grün-braun gemusterte Schlange, welche die Vibrationen unseres Fahrzeugs zu höchster Eile anstachelte, platt zu walzen. Ich vermutete, daß er sie erwischt hatte. Weit entfernt von der nächsten Siedlung, fand ich das höchst überflüssig, außerdem durchfuhren wir gerade einen Nationalpark.
Auf der Strecke gab es eine Polizeikontrolle, die Fahrgäste wurden befragt und von mir wollte man den Paß sehen. Ob ich aus Kambodscha käme und wohin ich wolle.
„Nakhon Ratchasima“ ich war mir nicht sicher wie man das aussprach.
„Korat!“ „Korat!“ Berichtigten andere Fahrgäste meine Angabe im mehrstimmigen Chor.
„Nakhon Ratchasima!“ Ich hatte die Karte herausgezogen.
„Korat“ bestätigte jetzt auch der Polizist.
Eine derartige Diskrepanz von Aussprache und Schreibweise hatte ich ja noch nie erlebt!
Mein Bus fuhr nicht direkt nach Korat. In der Wartehalle des kleinen Städtchens an der Kreuzung der großen Fernverkehrsstraßen von Nordwest nach Südost und von Südwest nach Nordost musste ich anderthalb Stunden auf den Anschlußbus warten. In dem halboffenen Bauwerk war ein kleiner Verkaufsstand. Die junge Verkäuferin fragte wohin ich unterwegs sei.
„Korat“ antwortete ich stolz auf das Gelernte.
„Kolat!“
„Yes, Korat!“
„No, Kolat! Kolllat“ lachte sie, das „L“ lang dehnend.
Jetzt begriff ich gar nichts mehr, Korat oder Kolat? Manchmal waren mir die Thais wie ein Buch mit sieben Siegeln, ich wusste, daß manche Ostasiaten das „R“ wie „L“ aussprachen, doch hatten sie bis jetzt stets ein ausgesprochenes „R“ richtig interpretiert. Also doch wohl Kolat?
„Kolat?“
„Yes, Kolat“ strahlte sie jetzt über´s ganze Gesicht.
Ich kaufte einen Softdrink, vertraute ihr mein Gepäck an und aß auf dem kleinen Markt des Dorfes bei einer ärmlichen Alten eine Nudelsuppe, obwohl die beiden anderen Stände einen sehr viel hygienischeren Eindruck machten. Mein Mitleid sollte zwar bald zu einer kleinen Darmstörung führen, doch was mich nicht umbringt...
Mein Bus kam, ich übergab dem Boy die Reisetasche, stieg ein und der Fahrer fragte nach dem wohin, als ich ihm das Ticket reichte.
„Kolat!“
Nicht nur er, sondern auch die Passagiere der ersten Sitzreihen, die mich gehört hatten, fingen an zu lachen.
„Korat!“
Nakhon Ratchasima alias Korat alias Kolat, wo ich am 10. Januar 1992 eintraf, war eine mittelprächtige Großstadt und so war es nicht schwer, eine adäquate Unterkunft zu finden.
Ein Doppelzimmer mit Ventilator und Dusche, blitzsauber, mit täglicher Reinigung samt Bettwäsche- und Handtuchwechsel. Inklusive täglich neuer Seife und sogar kleine Portionen Haarschampon. Das Hotel in der Neustadt war ruhig, lag nahe der alten Stadtmauer und kostete umgerechnet etwa 6.- DM! Klimatisiert hätte das Ganze ca. 3.- Mark mehr gekostet.
Außerhalb der Touristenzentren war in Thailand eine solche Qualität zu diesem Preis (mal etwas mehr, mal etwas weniger) Standard. Dabei gehörte ein solches Hotel zur mittleren Preisklasse, wer sparen musste, fand noch wesentlich billigere Unterkünfte.
Morgens und Abends sowie bei Bedarf wurde eine große Thermoskanne mit gekühltem Leitungswasser gebracht, denn bei der Hitze war der Flüssigkeitsverlust des Körpers enorm. Tagsüber Bier zu trinken ist in den Tropen nicht ratsam und von den süßen Softdrinks bekommt man eher noch mehr Durst. Geeignete Getränke sind neben (fast überall) trinkbarem Leitungswasser und Tee auch die sterile „Milch“ noch nicht ausgereifter grüner Kokosnüsse, die zudem ein delikates Gelee besitzen.
Wie fast überall in Thailand hatte man in Korat mit der Verpflegung die Qual der Wahl. Eine große Schale Suppe mit reichlich Einlage aus Fleisch, Gemüse, Nudeln und sogar Mini-Brätknödeln für einige Pfennige oder Wok-Gerichte mit frisch gebratenem Fleisch, Gemüse und Nudeln u.s.w. war traditionelles Fast-Food der Garküchen. Thailändische und chinesische Restaurants boten delikate Gerichte und so exotisches wie Gaststätten mit koreanischer oder sogar westlich internationaler Küche gab es in jeder etwas größeren Stadt die auf sich hielt. In den urbanen Zentren gab es sogar amerikanisches Fast-Food. Dazu kam eine große Vielfalt an exotischen Früchten, die entweder ganz auf den Märkten, oder frisch portioniert und in Plastikfolie verpackt, an Ständen verkauft wurden. An Vitaminmangel wird in Thailand wohl niemand zugrunde gehen!
Abenteuerlustige Gaumen konnten auf den Märkten auch Käfer und andere Köstlichkeiten aus dem Reich der Insekten probieren, mir persönlich war das denn doch zu exotisch.
Um ein paar Ecken gab es in einem Hinterhof fast allabendlich kostenlose Probeaufführungen von thailändischem Tempeltanz mit goldfarbenen Kostümen und ich mischte mich für eine Weile unter die kleine Zuschauermenge. Ganz nett, aber für derartiges bin ich wohl nicht kunstsinnig genug, Tanz hat mich noch nie sonderlich begeistert.
Auf dem Platz vor der Stadtmauer unweit meines Hotels in Nakhon Ratchasima stand das Denkmal der Thao Suranari, jener Frau, die Anfang des 19. Jahrhunderts die Verteidigung der Stadt gegen eine Armee aus Laos organisierte. Öfters versammelten sich dort kleinere Gruppen, um vor dem Denkmal der hochverehrten Heldin Opfergaben darzubringen. Rücksichtslos waren in der Altstadt jedoch vereinzelte häßliche Betonbunker gepflanzt worden.
Korat hatte eine kleine Kolonie von Ex-GI´s, welche Thaifrauen geheiratet hatten und wohl deshalb hier hängen geblieben waren. Ich trank in ihrer Stammkneipe ein Bier. Auch einige Touristen waren in Korat zu finden, nicht zu viele, gerade das richtige Maß für die recht große Stadt. Mit einem jungen Australier kam ich in einer Kneipe ins Gespräch. Es war schon weit nach 22 Uhr, er wollte in eine Disco und so schloß ich mich ihm an. Wir hielten auf der Straße eine Rikscha an, nannten unser Ziel und nach kurzem Feilschen ging´s los.
Jetzt kam der Australier auf die glorreiche Idee, sich selbst in den Sattel zu setzten um den Fahrer und mich zu chauffieren. Zwar weigerte sich zunächst der Rikschafahrer, dem die Limousine nicht gehörte, denn das sei polizeilich nicht erlaubt, doch der Aussi versprach ihm ein gutes Trinkgeld und außerdem wolle er für alle Eventualitäten aufzukommen. Der Fahrer willigte schließlich ein. Ich machte mich bereit, bei Gefahr im Verzuge schnell von der Rikscha zu springen, jedoch was sollte schon groß passieren?
Der Australier hatte schon einige Bierchen intus, so legte er in flottem Tempo los und zunächst ging noch alles glatt. Bis zur letzten Ecke vor der Disco. Hier nahm er die Kurve zu knapp an der etwa 25 cm hohen Bordsteinkante, das linke Hinterrad streifte sie mit den Speichen, die sofort einknickten und die Rikscha krachte mit der Radnabe auf den Asphalt. Die Sache ging so schnell, daß ich nicht mehr abspringen konnte doch der Fahrer neben mir hielt mich geistesgegenwärtig fest, so daß ich nicht herausstürzte.
Jetzt hatten wir den Salat!
Glücklicherweise war niemanden etwas passiert und Polizei war auch nicht zu sehen.
Das linke Hinterrad schien total im Eimer.
Entsetzt und, bildlich gesprochen, haareraufend betrachtete der Fahrer den angerichteten Schaden. Was würde bloß sein Boss dazu sagen!
Der Australier war zwar etwas blass, doch setzte er sich, nachdem er ein paar Minuten dem Gejammere zugehört hatte, Richtung Disco in Bewegung, vor der sich mittlerweile einige Zuschauer versammelt hatten.
„Stop, so geht das nicht! Du kannst nicht einfach abhauen, du mußt zahlen!“
Missmutig drehte er sich zu mir um.
„Wieviel verlangt er?“
Ich spielte Dolmetscher obwohl die Unterhaltung in Englisch geführt wurde.
„Was kostet der Schaden?“
„500 Baht“
„Er will 500 Baht.“
Das war zweifellos zuviel, berechnete man den Verdienstausfall mit, war die Sache mit 300 Baht vermutlich vollauf erledigt. Doch seltsamerweise zahlte der Australier anstandslos, und zwar an mich, ich war zum Mittelsmann geworden, der zwischen den beiden pendelte. Normalerweise stand ich in Preisverhandlungen meinen Gefährten bei, doch in diesem Falle hielt ich eine kleine Lektion für angebracht. Notfalls hätte ich auch dem Mann den tatsächlichen Schaden selbst ersetzt, denn Rikschafahrer sind arme Leute und müssen derartige Unfälle selbst bezahlen.
Geld hatte ich in diesem Urlaub ja genug dabei.
„A good business for you!“
„Yes, Sir! Thank you, Sir!“
Lachte der Rikschamann und verstaute die 500 Baht, das waren immerhin etwa 30 Mark.
Der Aussi wollte von mir allerdings nichts mehr wissen.
Die Disco war proppenvoll mit jungen Thais, ich fühlte mich alt, aus dem Discoalter war ich heraus. So ging ich nach einem Bier zu Fuß ins Hotel zurück, begleitet von dem Gutenachtwunsch der Managerin, die auch zu der Unfallstelle gekommen war und jetzt mit den Türstehern immer noch vor der Disco stand.
Von Korat aus unternahm ich einen Ausflug per Bus zum Wat Phanom Wan. Die tausend Jahre alte Anlage im Khmer-Stil war arg zerfallen, doch befand ich mich zum ersten Mal im verschlafenen ländlichen I-San (Auch Isan, Issan, Isarn oder Isaan genannt – gemeint ist die Nordost-Provinz Thailands. Selbst die Thai's benutzen übrigens bei vielen ihrer Ortsbezeichnungen unterschiedliche Schreibweisen). Ich war der einzige Besucher, doch waren einige Thais gemächlich mit archäologischen Ausgrabungsarbeiten beschäftigt und der Eintritt war frei. Neben der alten Anlage lag ein Kloster mit einem neuen Tempel aus Beton. Auch diesen wollte ich besichtigen und trat ein.
Doch gleich überlegte ich mir, ob ich wieder gehen sollte, denn auf dem hölzernen Podest lagen etwa ein Dutzend schlafender Mönche. Einer war erwacht, sah mich an und zog müde die orangefarbene Kutte über das Gesicht, um sich umdrehend weiter zu schlafen.
Man stelle sich vor, in einer katholischen Klosterkirche vor dem Altar schlafende Mönche bei der Siesta anzutreffen!
Möglichst leise betrachtete ich die farbenfrohen Gemälde mit Szenen aus dem Leben des Erleuchteten an den Wänden.