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Thailand - Asien |
Der Verkehr in den Straßen der thailändischen Hauptstadt hatte in den letzten 12 Jahren sogar noch zugenommen, sofern das überhaupt möglich war. So kämpfte sich der Stadtbus an diesem ersten Sonntag des Jahres 1992 vom Flughafen lange durch überfüllte Straßen, deren dichter Verkehr noch zusätzlich durch Bauarbeiten an einer neuen Hochstraße oder Hochbahn behindert wurde, bis endlich der „Sri Hualamphong“ Bahnhof erreicht war, wo ich ausstieg.
In der Gegend des Bahnhofes war man gerade dabei, das verwahrloste Viertel mit den alten, zumeist nur zweigeschoßigen Häusern niederzureißen.
Die alte Globetrotterregel, daß in der Nähe eines Bahnhofs immer viele billige Hotels zu finden sind, galt im modernen Bangkok nicht mehr. Nach einiger Suche konnte ich nur noch deren zwei finden, die ich beide noch von meiner ersten Thailandreise her kannte. Beide waren arg heruntergekommen und wahrscheinlich warteten die Abrissbagger schon irgendwo um die Ecke. Vor dem einen trieb sich noch dazu ein heruntergekommener Weißer herum, der aussah wie ein amerikanischer Ex-GI, den der Irrsinn des Krieges zum Junkie gemacht hatte. Diese Gestrandeten hatten damals in Thailand fast Narrenfreiheit.
So blieb mir keine Wahl, ich nahm das andere, das früher in dem Ruf stand, die Gäste würden hier des öfteren beklaut. Immer noch besser als mit Junkies beisammen zu wohnen. Herum zu fahren und anderswo in der Stadt zu suchen, dazu war ich von dem Flug mit langem Zwischenaufenthalt in Dubai viel zu müde. Ich wollte zunächst sowieso nur eine Nacht in Bangkok bleiben. Thailand hatte ein von Bangkok ausgehendes sternförmiges Fernverkehrsnetz, wer also auf dem Landweg in den Landesteilen umher reiste, besuchte die Hauptstadt zwangsläufig mehrmals.
Augenscheinlich war ich der einzige Gast in dem relativ großen Hotel.
Der bäuchige schmierige Chinese in dünnen Shorts und fleckigem weißen T-Shirt lispelte etwas, das sich anhörte wie:
„Gill? Gill?“
Ich nickte gleichmütig mit dem Kopf, als ich den Schlüssel in Empfang nahm, um mit ihm das Zimmer anzusehen.
Jetzt rief er etwas in den Nebenraum.
Eine etwa 25 Jährige mit stumpfsinnigen Augen, verschlafenem Gesicht und in gleicher Bekleidung wie ihr Chef begann breitbeinig mit ihren Gummilatschen hinter uns her zu schlurfen.
Ich dachte an eine Reinigungskraft und es dauerte einige Zeit bevor ich begriff: Ich war ja wieder in Thailand!
„No, no girl!“
„Oooh, vely cheap gill, vely cheap!“
„No, thank you!“
Der Chinese schickte die Frau, die gleichgültig mit den Achseln zuckte, wieder weg und geräuschvoll schleppte sie sich zurück.
Es war zwar erst Nachmittag, doch verschloß ich die Tür und klemmte den einzigen Stuhl an die Klinke, da das Schloß nicht sehr vertrauenerweckend aussah. Eine kurze Dusche und ich entschlummerte trotz des Lärmes, den der Verkehr und die Bauarbeiten verursachten.
Etwa um 20 Uhr erwachte ich und wollte mich in dem früher sehr belebten Bahnhofsviertel umsehen. Von den einst vielen Verkaufsständen, Läden und Restaurants war nur noch wenig übrig, „Farangs“ (eine abwertende Verballhornung von „Foreigners“, entspricht in der Bedeutung in etwa dem deutschen „Kanaken“) waren überhaupt nicht mehr zu sehen. Ich hatte schon gehört, daß diese in die Gegend der Khao San umgezogen waren. Auch um diese Uhrzeit wurde noch fleißig an neuen Gebäuden gearbeitet.
Ich nahm irgendwo ein Essen zu mir, trank noch zwei Biere wegen der nötigen Bettschwere und legte mich wieder in meinem Hotelzimmer nieder.
Sehr früh am nächsten Morgen begab ich mich per Citybus an den noch wenig belebten östlichen Busbahnhof Ekamai, kaufte ein Ticket nach dem etwa 300 Km entfernten Trat und suchte meinen Bus. Trotzdem der billige Bus keine Air-conditioning hatte, waren die Tickets mit Platznummern versehen. Der Schalterangestellte hatte mich neben einem mir in etwa gleichaltrigen Europäer platziert, obwohl die meisten der Sitze noch frei waren. Der Bus sollte erst in etwa einer dreiviertel Stunde abgehen.
„Where are you from?“
„Bavaria!“
Lautete mit stolzen Augen die kurze Antwort.
„Haha, ich wusste gar nicht, daß Bayern ein eigener Staat ist, doch können wir ja trotzdem deutsch reden!“
Der aufgeweckte Münchner war wie ich auf dem Weg nach Ko Chang und so hatte ich lebhafte Unterhaltung während der etwa sechs Stunden Fahrt. Schon, daß er ebenso wie ich auf den nur wenig teureren Air-con Bus verzichtet hatte, machte ihn mir sympathisch. Zwar benutzte auch ich natürlich manchmal klimatisierte Busse, doch haben normale Busse außer dem gesundheitlichen Aspekt noch den Vorteil, daß dort stets die interessanteren Fahrgäste zu finden sind und man in ihnen vor allem die Fenster öffnen kann.
Der Bayer kam gerade von Ko Samui und wollte nach einem weiteren Badeaufenthalt auf Ko Chang noch auf die Philippinen fliegen.
Trat war ein verschlafenes Städtchen unweit der kambodschanischen Grenze und wir mieteten uns im „Trat Hotel" ein, wir wollten beide zunächst einmal das Städtchen betrachten. Nachdem ich mich eingerichtet hatte, holte ich meinen neuen Freund ab, denn wir waren beide hungrig und suchten deshalb nach einem Restaurant.
Besonders viel zu sehen gab es in Trat nicht, abends spazierten wir durch den kleinen Nachtmarkt, besichtigten die beiden „Bars" und tranken in der einen Bier. Wie so oft in Thailand waren auch die Damen des Gewerbes vertreten. In der ersten Bar saßen die Frauen sogar wie in einem Schaufenster hinter Glas vor einem Publikum, das Ganze konnte man also eher ein Bordell nennen, obgleich es keine Stundenzimmer gab. Derartiges kannte ich bis dahin nur von TV-Reportagen aus der Vietnam-Kriegszeit, wenn manchmal über GI´s auf Fronturlaub berichtet wurde, welche sich in Thailand erholten.
In der anderen Bar konnte man sich normal mit den Frauen unterhalten.
Eine war aus Laos, dort mit einem üblen Säufer verheiratet, hatte ein Kind und hielt sich seit einem Jahr illegal in Thailand auf. Zweimal schon hatten ihr örtliche Polizisten ihr gesamtes Erspartes abgepresst. Ganz abgesehen davon, daß die Polizisten umsonst „bedient“ werden wollten und das nicht nur von ihr. Das war keine Story um sich interessant zu machen oder Mitleid zu erregen, denn die anderen Mädchen nickten wissend. Es war nicht viel los in der Bar und so hatten sich die meisten Mädels um uns versammelt. Irgendwie kam das Gespräch auch auf den Verzehr von Hundefleisch, auch ich hatte diese Delikatesse schon einmal versehentlich gegessen. Die Laotin erzählte die haarsträubende Geschichte, sie hätte in ihrer Heimatstadt Vientiane beobachtet, wie ein winselnder Hund mit Hilfe von Stäben im Mekong bei lebendigen Leibe durch die vordere und hintere Körperöffnung ausgenommen wurde.
Es war schon recht spät, als wir wieder ins Hotel zurückgingen.
Am anderen Morgen fuhren wir mit einem Pickup die etwa 15 Km zum kleinen Hafen Laem Ngop, von dem die Boote nach Ko Chang ablegten. Wir hatten uns für den White Sand Beach bzw. Laem Chai Chot auf der Seeseite der Insel Ko Chang entschieden und das Boot legte zur Mittagszeit ab. Die Fahrt kostete 70 Baht und dauerte etwa anderthalb Stunden.
Wir staunten nicht schlecht, von einem hohen Mast zwischen den Palmen flatterte ein blau-weißes Rautenbanner im Wind, als das Boot auf den Strand einschwenkte.
White Sand Beach eine bayerische Kolonie?
Des Rätsels Lösung war ein unsäglicher Bayer, der den Strand zu seinem Wohnzimmer erkoren hatte. Er besuchte in jedem Urlaub Thailand und hatte seine Freundin aus Bangkok mit hierher gebracht. Diese wollte er uns zeigen.
„Kimm do her, du oide Hur´n!“
Glücklicherweise verstand die Thai kein bayrisch.
„Schee is neet, ob´a no nimmt´s as ma a koaner weeg, Hahaha!“
Ich nahm einen schlichten Bungalow in möglichst weiter Entfernung zur Flagge und tat mich mit einem trinkfesten Iren aus Dublin zusammen, der jedem erzählte, wollte er es hören oder nicht, er könne keine Deutschen leiden.
Doch kaum war ich auf einer Insel unter Palmen, begann ich mich auch schon zu fragen, weshalb ich eigentlich hierher nach Ko Chang gekommen war. Ohne Zweifel war das Wasser warm, boten die von Dschungel bedeckten Berge einen herrlichen Anblick und Restaurants sowie eine Bar waren auch vorhanden. Auch hatte ich natürlich nicht erwartet, wie Robinson auf einer einsamen Insel zu leben. Dazu hatte sich der Tourismus in Thailand viel zu stark entwickelt.
Vermutlich war ich für derartiges Strandleben einfach zu alt geworden.
Eine erst seit kurzem errichtete und noch unasphaltierte Straße führte, trotz Nationalpark, fast schon um die gesamte Insel. Daß dem unberührten Dschungel im Inneren der kleinen Insel Ko Chang damit das Ende bevorstand, war klar. Die Thais brachten es durch die Geldgier ihrer korrupten Mächtigen einfach nicht fertig, die letzten winzigen übrig gebliebenen Flecken unberührter Natur an der Küste vor der Invasion der Fremden zu schützen. Der Krieg im nahen ehemalig französischen Indochina hatte der Natur hier nur eine Galgenfrist gewährt und seitdem Touristen den Osten Thailands bereisen durften, war diese abgelaufen. Trotzdem gab es natürlich noch viele Kleintiere auf Ko Chang und mit gruselnder Coolness wurde mir berichtet, daß vor ein paar Tagen eine Schlange von einer Palme gefallen und auf einem besetzten Restauranttisch gelandet sei.
Noch jedoch hielt sich die Anzahl der Touristen auf der Insel in erträglichem Rahmen und mit den jungen Touristen und Touristinnen bekam man schnell Kontakt.
Viele der jungen Leute waren anfangs Zwanzig, kamen zum großen Teil aus Europa und auch aus Israel. Israelis hatte man früher nur sehr selten in den asiatischen Ländern getroffen. Die meisten der thailändischen Angestellten kamen aus entfernten Landesteilen, außer einigen Grund- und Ressortbesitzern sowie den Fährleuten schienen die Touristen der lokalen Bevölkerung noch keinen großen Gewinn zu bringen.
Den langweiligen nächsten Tag verbrachte ich am Strand, am Abend unterhielt ich mich mit einer Israelitin in der Bar und der folgende Tag sah mich schon wieder auf dem Boot zurück nach Laem Ngop. In Trat blieb ich für eine Nacht im bekannten Hotel und nahm dann den Bus nach Nakhon Ratchasima.