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Thailand - Asien |
In Nong Khai endet die Straße Nummer 2, der Mekong war erreicht. Hier herrschte ein geschäftiges Treiben und in meiner günstigen Unterkunft direkt am Fluß, kein richtiges Hotel wie sonst, waren etliche junge Touristen zu finden.
Tourist?
Das verbat man sich, man war Traveller!
Abends saßen die jungen Leute im Restaurant oder unter den Bäumen am hohen Ufer beisammen und unterhielten sich, doch zog ich es vor zu erfahren, was sich im Städtchen so tat.
Der Markt an der Straße bot Schmuggelkleinkram aus Laos. Die Waren stammten hauptsächlich aus China. Ich entdeckte kleine Daumenschellen, doch war mir der Preis für die fiesen Fesseln mit etwa 200 Baht zu hoch, ich stieg mit 50 ein, daraufhin wurde der Händler wütend. Dann eben nicht.
Mehrere ältere Europäer hatten sich in Nong Khai niedergelassen.
Während ich in einem Restaurant einen „Fleischsalat“ aß, unterhielt ich mich mit einem Deutschen der schon zwei Jahre hier lebte. Dieser Salat war gut, aber nur etwas für Leute die sehr scharf (thai: pad pad) mögen. Denn der Salat besteht etwa zu einem Drittel aus gekochtem Fleisch, einem Drittel Zwiebeln und Koriander mit Blatt- und sonstigem Salat sowie einem Drittel kleinen roten und grob geschnittenen, ungeheuer scharfen Chillischoten. Glücklicherweise gab es so nahe der ehemaligen französischen Kolonie Laos Baguette dazu, dies milderte etwas die Schärfe.
Der Rat des lachenden Deutschen, bloß nichts dazu zu trinken, war eigentlich überflüssig. Meine mitgeführte Ration an Papiertaschentüchern war für die Mahlzeit gerade noch ausreichend. Doch die ungeheure Schärfe machte richtiggehend süchtig, obwohl ich ansonsten keine masochistische Ader habe und ab jetzt verzehrte ich des öfteren einen solchen Salat.
Der Mekong führte Niedrigwasser und so war der steil abfallende Rand des Ufers bestimmt 15 Meter über dem Fluß. Ständig pendelten Boote zwischen dem laotischen und unserem Ufer. Ich hatte zwar ein „Double-entry“ Visum für Thailand, doch Visa für Laos wurden leider nur in Bangkok ausgestellt. Manchmal setzte ich mich in die Restaurants, die mit Stützpfeilern über die Böschung gebaut waren, um dem Treiben am Pier zuzusehen.
Die Thais im Ort waren geschäftig, die damals noch riesigen Handys waren ein Statussymbol und jeder Businessman oder wer als solcher gelten wollte, hatte einen derartigen Colt am Gürtel. Anscheinend sorgte der Schmuggel für florierende Geschäfte.
Ich mietete mir ein Fahrrad und besuchte eine sehr seltsame Anlage einige Kilometer vom Zentrum. Ein Künstler hatte im Laufe der Jahre einen großen Platz mit riesigen phantastischen Figuren übersät, die alle im Kern gemauert und dick mit Beton überzogen waren. Hinduistische und buddhistische Symbole, so etwa eine vielleicht 20 Meter hohe, vielköpfige Kobra, die allerdings schon bröckelte, Hunde und alle möglichen Monster aus Zement bevölkerten den Platz. Ich war mir nicht so sicher, was ich davon halten sollte, beschloß dann aber, das Ganze unter der Kategorie „Kitsch“ einzusortieren. Ich hoffte, dem Künstler damit nicht allzu sehr Unrecht zu tun.
Während eines Spaziergangs hatte ich eine Disco entdeckt, in der ich abends vorbeischauen wollte. Mir wurde die Zeit lang und so sah ich kurz nach 9 Uhr abends hier nochmal vorbei, doch war noch nichts los und so machte ich mich auf den Heimweg. In einer kleinen Straße, deren Häuser von Gärten mit Bäumen umgeben waren, prangte an einem Zaun ein Schild, das ein Guesthouse verkündete. Als ich vorbeiging und einen Blick hinein warf, rief mir die kleine Gesellschaft, die im offenen Restaurant saß, zu, ich solle doch auf ein Bier bei ihnen verweilen.
Ich überlegte nicht lange und setzte mich zu ihnen.
Der Chef des Hauses war ein mit einer sympathisch wirkenden Thai verheirateter Engländer von vielleicht 45 Jahren, weitere Gäste waren ein etwa 50-jähriger Deutscher, ein etwas schräger weiterer Engländer der auch schon die 40 überschritten hatte, sowie ein junger Australier, der mit einer Thai, die er in Phuket aufgegabelt hatte, im Isaan unterwegs war.
Wir hatten eine etwas derbe, aber lustige Unterhaltung und ich trank zwei weitere Biere. Darüber verging die Zeit recht schnell und es war schon weit nach 11 Uhr. So langsam dachte ich an den Heimweg.
Natürlich kam am Schluß auch die Rede auf das Thema Nummer Eins.
„Wie wäre es, wenn wir ein paar Mädchen besuchen?“
Wandte sich der Guesthouse-Besitzer an uns.
Ich war verwundert, denn seine Frau saß neben ihm.
Der junge Australier, der uns nicht begleiten sollte, erkundigte sich etwas naiv, ob es denn hier ein Bordell gebe. Die anderen beiden waren sofort einverstanden und ich wollte wissen, ob denn seine Frau nichts dagegen hätte. Doch verneinte sie lachend und meinte wir sollten ruhig gehen. Neugierig stieg auch ich in den Toyota-Geländewagen des Engländers, obwohl dieser etliche Biere intus hatte.
Polizei sei für ihn kein Problem, meinte er auf meine Frage.
Die Fahrt ging entlang der Straße, auf der tagsüber der Markt abgehalten wurde und in nicht allzu weiter Entfernung des Zentrums parkte unser Fahrzeug an einer kleinen Seitenstraße, die leicht ansteigend rechts in die Hauptstraße mündete.
Die Gasse verbreitete einen strengen Uringeruch. Das Wasser, das von irgendwo her den abgenutzten Asphalt benetzte, schien mit diesem durchsetzt zu sein. Rechts und links saßen junge Mädchen und einige Jungen vor den einfachen eingeschossigen schäbigen Häusern, eigentlich Hütten.
Unser Anführer schritt mit uns im Gefolge erst alle Buden ab, bestimmte einige Mädchen, bestellte Bier und wir setzten uns vor einem Verschlag an einen rohen Tisch mit einfachen genagelten Bänken. Die Mädchen und ihre beiden vielleicht sechzehnjährigen „Zuhälter“ standen um uns. Das Bier wurde gebracht und jetzt kam es zur Auswahl.
Die Mädchen waren Kinder, ich schätzte ihr Alter auf etwa vierzehn bis maximal fünfzehn Jahre. Jeder suchte sich eine aus und mir wurde eine zugeteilt, denn man hielt mich für schüchtern. Mein Einwand, daß die Mädchen doch noch etwas jung seien, wurde damit beantwortet, dann seien sie am knackigsten, hahaha. Die Erwählten durften sich neben uns setzen.
Jetzt betrachtete ich meine neuen Bekannten mit anderen Augen.
Das waren Päderasten.
Hätte ich protestiert, dann hätte man mich ausgelacht.
Ich überlegte mir, ob ich diesen Platz nicht sofort verlassen sollte, doch fühlte ich mich nun wie unter Zwang stehend, ich musste die ganze Geschichte erfahren. Nichts an dieser Atmosphäre, die der Hölle entnommen schien, strömte irgendetwas aus, das auch nur entfernt an Erotik erinnerte.
Bald schritt man zur Tat, ich wusste nicht wie ich mich verhalten sollte und ging mit meiner „Braut“ mit. Der Weg führte durch einen Gang mit Zimmern, oder besser gesagt, Verschlägen und wir betraten einen solchen. Nicht für viel Geld hätte ich mich unbekleidet auf das mit bunten Tüchern belegte, schmierig wirkende Podest gelegt, das als Lager dienen sollte. Das Mädchen wollte ihre Vorbereitungen treffen, doch gab ich ihr die 150 Baht vereinbarten Lohn (weniger als 10.- DM) und wartete nur noch ab, bis ich hörte, wie sich die anderen Türen schloßen, dann verließ ich den Raum wieder.
Das getrunkene Bier zwang mich eine gewisse Örtlichkeit aufzusuchen und ich kümmerte mich nicht mehr um das Mädel. Als ich da so stand, öffnete sich die Tür dieses stinkenden Verschlages, in dem es keinen Wasseranschluß, sondern nur ein Loch im betonierten Boden gab und das Mädchen trat ein. Sie schien mich für noch perverser als die anderen zu halten und ich wies sie aus dem Raum.
Dieser letzte Vorfall vergrößerte meinen Schock sogar noch, falls das überhaupt möglich war.
Ich setze mich wieder auf meinen Platz, mein Verhalten löste völliges Unverständnis aus. Ihr junger Zuhälter nahm das Mädchen und bedeutete mir (er sprach nur wenige Brocken englisch):
„Machst du es nicht, mach ich es, bezahlt ist bezahlt!“
Mir war das völlig gleichgültig, wenn jemand vorbeigekommen wäre und hätte den Ausbruch des dritten Weltkrieges verkündet, so hätte mich das jetzt wohl auch kalt gelassen. Mein Gefühl lässt sich nur mit Ekel beschreiben und ich verspürte das Bedürfnis, mich zu waschen, wozu allerdings auch der uns umwabernde penetrante Gestank beitrug.
Nach verdächtig kurzer Zeit waren die beiden wieder da und obwohl ich sonst ein sparsamer Schwabe bin, gab ich allen sechs jetzt auf der Mauer hinter mir Sitzenden ein Bier aus. Daß zumindest die vier Mädchen für Alkohol eigentlich zu jung waren, war bedeutungslos, das waren nur noch dem Alter nach Kinder. Ich fragte das Mädchen das mit mir gegangen war, wie alt sie sei.
„Fourteen“
„You... which country?"
„I`m from Germany."
Alle waren sie aus Laos und obwohl ich von der Korruption der thailändischen Polizei wusste, fragte ich nach dieser. Jeder Bewohner dieser nicht sehr großen Stadt musste doch wissen, was so nahe des Zentrums in aller Öffentlichkeit geschah, ich konnte von meinem Platz aus auf die Hauptstraße sehen.
„Pah, Police“, lautete die verächtliche Antwort.
Klar, irgend jemand verdiente hier Geld und die Polizisten wollten auch ihren Teil. Wahrscheinlich gab es in Thailand nur wenige Orte, die bei den Polizisten als Stationierungsplatz so begehrt waren wie das Schmugglerparadies Nong Khai.
Die Geschichte aus Trat mit dem ausgenommenen Hund erschien mir jetzt gar nicht mehr so unglaublich.
Nach einiger Zeit kamen dann nacheinander die anderen drei mit den Kindern zurück.
Keiner war sich irgendeiner Schuld bewußt, das war doch nur eine harmlose Entspannung! Meine Stimmung war vom Ekel zur unterschwelligen Aggression gewechselt.
Auch die Laoten waren jetzt in mieser Stimmung und obwohl ich es verheimlichen wollte - was ich getan hatte ging diese Kerle nichts an - brachten sie es in Erfahrung. Sie waren erstaunt.
„Ist da wahr? Und du hast trotzdem bezahlt?“
Bald wurden sie offen aufgefordert zu gehen – ich ausdrücklich ausgenommen.
„Go! Go!“
Das war für den Engländer völlig unverständlich und er wurde ärgerlich.
Er, der reiche Guesthousebesitzer, der vermutlich einige einflußreiche Leute in Nong Khai kannte, sollte sich von jungen illegalen Laoten des Platzes verweisen lassen?
Ich redete ihm gut zu, als Wirt müsse er diese Situation doch kennen, daß man Feierabend machen wolle, doch die Gäste nicht und endlich stiegen wir wieder in den Jeep.
Auf halber Strecke verließ ich das Fahrzeug, um in meine Unterkunft zu gehen und nach einer ausgiebigen Dusche zu schlafen.
Kaum war ich erwacht, war dieses Gefühl wieder da, ich fühlte Ekel. Dies ließ mir keine Ruhe und so ging ich Vormittags zur Hauptstraße, um die Seitengasse bei Tageslicht zu betrachten.
Es schien eine ganz normale Gasse zu sein und mit Sicherheit ahnte das junge Touristen-, Pardon, Travellerpärchen, das an mir vorüberging, nicht, daß sie nur wenige Schritte vom nächtlichen Vorhof der Hölle entfernt waren.