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Hippie Trail - Asien |
An diesem Tag war es zu spät, doch gleich am nächsten Morgen gingen wir in Kathmandu zu American Express, aber Geld war angeblich noch keines gekommen. Wir setzten uns telegraphisch mit Deutschland in Verbindung, konnten jedoch keine Beschleunigung der Transaktion erreichen.
Wir mussten warten und sahen uns in der nepalesischen Hauptstadt um, die damals als Verwaltungseinheit 170 000 Einwohner hatte (im gesamten, auf etwa 1350 Meter Höhe liegenden Hochtal von 'Kathmandu-Valley' mit seinen drei großen Städten Kathmandu, Patan und Bhaktapur lebten etwa 400 000 Nepalesen).
Zunächst die berühmte "Freak street", die jedoch nichts außergewöhnliches bot, außer, daß sie direkt am alten Königspalast mit seinen Schnitzereien, seinen Turmpagoden und Götterbildern begann. Überall Händler und Restaurants nach Art der "Chicken Street" in Kabul, nur daß die verkauften Produkte zum größten Teil aus Varanasi in Indien stammten. Aber auch Waren aus der Volksrepublik China wurden verkauft, u. a. auch deutschsprachige Bücher wie die "Worte des Vorsitzenden Mao Tse Tung", die berühmte "Maobibel". Aus Nepal selbst gab es eigentlich nur Holzschnitte auf Reispapier und einige Silberwaren, sowie sehr teure handgemalte buddhistische Mandalas für 100,-$ Einstiegspreis. Und natürlich gab es einen Shop, in dem nepalesisches Haschisch verkauft wurde. Dies war zwar nicht ganz legal, doch kümmerte sich damals kein Nepalese darum. Der über eine Treppe zu erreichende Eckladen hatte eine lange gläserne Verkaufstheke, in der verschiedene Sorten der Ware ausgestellt wurde und auf der eine Balkenwaage sowie eine Kasse standen.
Auch ein Brotverkäufer, der in seinem Laden "German" Schwarz- und "French" Weißbrot sowie Kuchen anbot, hatte sich in dieser Straße niedergelassen. Und natürlich gab es viele fliegende Kleinsthändler, die frisch geröstete Erdnüsse, einzelne Zigaretten und sonstigen Kleinkram anboten, diese gehörten bereits seit dem Iran zum Straßenbild.
Viele Kinder hatten sich auf die Bettelei verlegt, vor allem die Pauschaltouristen gaben reichlich, was dazu führte, daß ein Filius nach einem Tag Bettelei den zehnfachen Betrag mit nach Hause brachte, den sein Vater mit der harten Arbeit eines Tages verdiente. Dies zerrüttete natürlich die Familienstrukturen.
'Freak Street', das war natürlich nicht der echte Name dieser Straße im Zentrum der Altstadt von Kathmandu, die Nepalesen nannten sie 'Jochen Tole'.
Kathmandu war ganz anders als ich es mir vorgestellt hatte. Zu dem tristen Eindruck trug allerdings auch das winterlich kühle Wetter bei und die Fenster der nepalesischen Häuser hatten nur selten Glasfenster, jedenfalls jene der Altstadt.
Das Ensemble der Bauwerke war allerdings bemerkenswert. Eine voll erhaltene orientalische Stadt mit allem drum und dran, leider auch der Abwasserentsorgung. Man mußte auf den Gassen aufpassen, um nicht von aus den 2. Stock geschüttetem Schmutzwasser getroffen zu werden. Manche der alten Tempel waren eingefallen oder zeigten starke Schäden und über allem schwebte Modergeruch.
Ich begann mich krank zu fühlen, hatte Fieber, Verdauungsstörungen und Magenschmerzen. Zunächst hielt ich das für das Übliche. Auf der Reise hatte ich mir bereits zweimal durch unhygienisches Essen Durchfall zugezogen.
Doch halfen diesmal die Medikamente nicht, sondern schienen die Sache gar noch zu verschlimmern, jedenfalls nahmen die Magenschmerzen zu.
Als wir nach ein paar Tagen in ein anderes Hotel zogen, war ich bereits zu schwach mein Gepäck zu tragen, weshalb wir eine Fahrradrikscha nahmen. Es war klar, ich hatte mir etwas Größeres eingefangen. Deshalb suchte ich gleich ein Krankenhaus auf. Als erstes kontrollierte der Arzt meine Arme und Beine.
"Sie nehmen keine Drogen!"
"Natürlich nicht!"
"Sehen Sie doch dort mal in den Spiegel!"
In unserem alten "Hotel" gab es an der Waschgelegenheit keinen Spiegel, und so erschrak ich nicht schlecht als ich in diesen schaute.
Ein Fremder blickte mich an. Meine Augen sahen ja aus wie jene unseres Koch´s im "Balkh"-Hotel in Kabul!
Der Arzt begann über mein erstauntes Gesicht zu lachen.
"Sie haben Hepatitis" war seine schnelle Diagnose.
Die Gelbsucht kannte ich nur durch Erzählungen meines Vaters von der Ostfront, deshalb war ich entsetzt.
Angesteckt hätte ich mich vor etwa 5-6 Wochen, ob ich mich daran erinnern könne in dieser Zeit näher mit einem Menschen mit Augen wie meine jetzigen zusammen gewesen zu sein.
"Ja unser Koch in Kabul sah so aus."
"Dann wissen sie woher sie ihre Hepatitis haben!"
"Unsere Krankenhäuser hier entsprechen nicht dem westlichen Standard," meinte der Arzt dann, "und ich empfehle ihnen, bleiben sie in ihrem Hotel. Sie sind jung und ihr Körper wird diese Krankheit besiegen!"
Er gab mir noch Ratschläge zur Ernährung, verbot mir für ein Jahr jeglichen Alkohol und schrieb einige Medikamente auf ("Liv 52" und weitere indische Produkte), die ich mir kaufen sollte und bestellte mich bis in 14 Tagen noch einmal zu sich. Eine teure Blutuntersuchung wurde angeboten aber eigentlich für überflüssig befunden.
Unser neues "Hotel" war zwar etwas besser als das alte, doch hatten auch hier die Fenster keine Scheiben sondern nur in dieser Jahreszeit unnütze Mosquitonetze an den Fenstern. Die Zeit bis Weihnachten verbrachte ich im Dämmerzustand in unserem Hotelzimmer. Mein Urin war schwarz wie Kaffee geworden. Ich schlief sehr viel, und mein armer Kamerad Werner mußte mich versorgen, unsere abgelaufenen Visa erneuern und sich um die Geldüberweisung kümmern.
Ich konnte in dieser Zeit außer meinen Medikamenten nur etwas Obst, Tee und den empfohlenen Traubenzucker zu mir nehmen. Am 24. Dezember fühlte ich mich das erste Mal etwas besser und der Appetit anregende schwarze Saft aus der indischen Arzneiflasche tat seine Wirkung, ich verspürte Hunger nach etwas Kräftigerem. Mit einer Rikscha fuhren wir darum zu einer Pizzeria in der Kanti-Path. Pizza gab es dort zwar nicht, weit und breit war natürlich auch kein Italiener zu sehen, aber dafür gab es "Spaghetti Bolognese". Darunter darf man sich freilich nicht etwa richtige Spaghetti´s mit Hackfleischsoße vorstellen, sondern eine Art langer schmaler Bandnudeln mit Corned-Beef aus Dosen. Dazu gab es einen recht gut angemachten Salat. Den Rückweg über den Gemüsemarkt machten wir zu Fuß, doch mir wurde übel und ich mußte das genossene Essen wieder von mir geben und ich begab mich schnell wieder ins Hotel zurück. Abends gingen wir in der nur 20 Schritte nahen 'Freak Street' in eine Kneipe, doch wurde mir von dem Schwarztee wiederum schlecht. Zurück im Hotel überkam mich erneut Hunger und diesmal konnte ich das gegessene Brot mit Obst, Gemüse und sogar ein wenig "Salami" (Made in Nepal) endlich bei mir behalten. Die nächsten Tage begann sich mein Körper so langsam wieder zu erholen und verlangte ständig nach Nahrung, doch achtete ich darauf, möglichst leicht verdauliches zu mir zu nehmen. Selbstverständlich mußte Werner das meiste davon besorgen, ich war immer noch sehr schwach. Ohne den treuen Werner wäre ich böse in der Tinte gesessen.
Kurz vor Jahresende begann sich mein Zustand wieder zu verschlechtern und ich ging erneut zum Arzt. Die Verschlechterung stufte er jedoch nicht als bedrohlich ein. Ich solle weiter Diät halten. Auch das Wetter hatte sich verschlechtert, Nebel verhüllte Kathmandu und das Krächzen der gefleckten Krähen erfüllte die Luft. Auf den Hügeln rund um das Tal war Schnee gefallen, während es im Tal selbst öfter´s regnete.
Ich war noch zu schwach um große Ausflüge zu unternehmen, jedoch mußte ich mir die Zeit totschlagen denn mein Bedürfnis nach Schlaf hatte abgenommen. Also dachte ich mir verschiedene Fallen, meist aus Plastiktüten aus, mit denen ich die Mäuse fing, die frech unseren Abfallkorb inspizierten, oder übte mich im Messerwurf auf diese, wenn mir das Lesen zu langweilig wurde. Meine Augen begannen wieder heller zu werden und mein Hunger war jetzt fast Gier zu nennen, ich tagträumte von deutschem Essen und ständig schleppte Werner Taschen mit Obst, Rettichen, Gurken, Brot und Marmelade an.
Während meiner Krankheit waren wir von einer Sekte entdeckt worden, den "Kindern Gottes", die unter den in Kathmandu Gestrandeten auf Seelenfang gingen. Die meisten ihrer Mitglieder waren Amerikaner. Ein paar Mal wurden wir von ihnen besucht und einmal zum Essen eingeladen. Das Essen war gut, mit unserer "Bekehrung" hatten sie jedoch kein Glück.
Werner besuchte Sehenswürdigkeiten außerhalb der Stadt und wurde in der Altstadt im Laufe der Wochen mit vielen Nepalesen bekannt, wie ich feststellen konnte als ich wieder kräftig genug war, ihn zu begleiten. Vor allem die vielen Erdnußröster riefen ihm überall einen Gruß zu, als wir durch die Straßen gingen, denn Werner war ein großer Liebhaber dieser Schalenfrüchte.
In dem Zimmer, das dem unseren benachbart war, hatte ein indischer Kunstmaler Dauerquartier bezogen, er gab sich äußerlich als zweiter Salvador Dali. Mit seiner Baskenmütze auf dem Kopf, dem roten Schal und dem gezwirbelten Schnurrbärtchen hatte er auch gewisse Ähnlichkeit mit diesem. War er zuhause, hatte er seine Türe fast stets geöffnet. Auf seiner Staffelei stand während all der Wochen unverändert immer das gleiche halbfertige Bild. Ein tanzender bläulicher Shiva in typisch indischer Manier, wie er ähnlich als Reproduktion an der Windschutzscheibe beinahe jedes indischen Busses hing. Nur einmal sah ich ihn mit einem Pinsel in der Hand an der Staffelei, das war kurz bevor er Besuch bekam. Denn er schien bei den jungen Touristinnen recht gut anzukommen und einigemale hatte er Damenbesuch. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, der "Künstler" habe das halbfertige Kunstwerk bei einem Kollegen gekauft, doch vielleicht tat ich ihm damit auch Unrecht und er hatte nur eine Schaffensblockade.
In der zweiten Januarwoche wurde es wieder etwas wärmer und ich machte kleine Ausflüge. Im Postamt stellte ich mich auf eine Waage - ich hatte 22 Kilogramm abgenommen und wog nur noch 49 Kg!
Endlich traf am Sonntag dem 8. Januar die langersehnte Geldüberweisung aus Deutschland ein. Wir waren erleichtert!