Reiseberichte | ||
Reise-Informationen | ||
Hippie Trail - Asien |
In Pokhara blieben wir die erste Nacht im Ort selbst, der damals wohl kaum viel mehr als zwanzigtausend Bewohner zählte. Als ich morgens die Augen aufschlug, blickte ich direkt einer Maus ins Gesicht, die 5 Zentimeter vor meiner Nase auf dem Bett saß. Ich zuckte zusammen und sie verschwand blitzartig.
Wir begaben uns mit dem örtlichen Taxi an den ein paar Kilometer entfernten See, um einen Bungalow zu mieten. Hier gab es viele Restaurants und Lodges. Wir fanden schnell das passende - weil billige, nämlich das "Trekkers Retreat", holten unser Gepäck mit gemieteten Fahrrädern und zogen ein. Wir wollten etwa 2 Wochen hier bleiben, uns Geld nach Kathmandu überweisen lassen, wofür wir etwa 10 Tage rechneten und uns dann auf den Heimweg machen. Wenn wir unterwegs keine großen Aufenthalte einlegten, konnten wir noch vor Jahresende zu Hause sein.
Zunächst genossen wir die angenehme Atmosphäre des Ortes und die schöne Aussicht auf das gigantische Annapurna-Massiv mit dem prägnanten Machapuchare und machten beinahe täglich Bootsfahrten mit einem gemietetem Einbaum auf dem Phewa-See.
Pokhara war damals ein berühmter Ort. In den Sechziger Jahren hatten die Chinesen eine Straße von Kathmandu hierher gebaut, und so hatte sich die Schönheit des Tals schnell unter den Reisenden herumgesprochen. Bestimmt einhundert oder sogar etwas mehr Freaks waren ständig in den Lodges am Seeufer einquartiert, wobei es natürlich ein stetes Kommen und Gehen gab. Das Essen in den Restaurants war ganz auf uns westliche Besucher abgestimmt und dankbar nahmen wir dieses Angebot wahr. Als Snack zwischendurch gönnten wir uns öfters Obstsalat aus Guajaven, Papayas, Mandarinen und Bananen und zum Frühstück gab es Kaffee, Müsli, gebratene Eier mit Toast und süße Pfannkuchen. Ein Restaurant bot sogar chinesische Küche und zum ersten Mal aß ich dort Chop Suey, doch auch ein "Vienner Shnitzel" war hier zu haben.
Nur selten tranken wir abends in den Restaurants nepalesisches Bier, da dieses verhältnismäßig teuer war, doch lernten wir trotzdem viele Traveller (als solche betrachteten auch wir uns) kennen. Einige Westler waren auch bereits mit dem Flugzeug nach Nepal gereist, und wir, die als "echte Indienfahrer" die Mehrheit bildeten, betrachteten diese "Touristen" ziemlich herablassend.
Pokhara besaß damals einen kleinen Flugplatz, der auf halber Strecke zwischen der Stadt und der Touristensiedlung am See lag, und auf dessen Graspiste lediglich Propellermaschinen landen konnten. Die wenigen Pauschaltouristen, die gelegentlich Pokhara über diesen "Airport" erreichten, waren als "Neckermänner" bei uns natürlich vollends unten durch. Wenn junge Nepalesen junge Deutsche ärgern wollten, titulierten sie diese als "Neckermänner", obgleich sie wahrscheinlich nicht die mindeste Ahnung hatten, was das eigentlich war. Eine große Empörung auf deutscher Seite war ihnen auf jeden Fall sicher, und der Zweck war erreicht.
Auch einen jüngeren Kripobeamten aus Ulm an der Donau, der sich hier "inkognito auf Urlaub" umschaute, was seine "freakige Kundschaft" in diesem mystifizierten Nepal eigentlich so trieb, lernten wir in einer der Touristenkneipen kennen.
Mehrere Shops boten Hippieklamotten feil und eine junge aus Indien eingewanderte Schneiderfamilie bot den Touristen sogar maßgeschneiderte Kleider an. Frisch parfümiert durch den Urin ihres etwa zweijährigen Sohnes, der nackt und fröhlich über die weichen Stoffballen und halbfertigen Kleider ihres einzigen gemieteten Zimmers krabbelte. Obwohl alle jungen Reisenden extrem sparsam mit ihrem Geld umgingen - eine Mark etwa war in unseren Augen schon ein recht hoher Betrag - reichte für viele der noch ärmeren nepalesischen Kleinhändler die Einnahmen aus dem Handel mit den jungen Touristen für ein gesichertes Einkommen aus. Ja, wer sparsam war, konnte sich noch etwas auf die Seite legen. Das beste Geschäft machten allerdings die Lodge- und Restaurantbesitzer. Diese wurden, für nepalesische Verhältnisse, sogar reich, denn sie hatten allein aus den Zimmervermietungen Einnahmen von 20-40 Mark pro Tag, kostete doch eine solche Unterkunft 1,- bis 1,50 DM. Wobei man allerdings berechnen muß, daß ein Euro heute wesentlich weniger wert ist, als damals eine Mark. In einer ländlichen deutschen Bierkneipe mit Rockmusik-Berieselung kostete bspw. ein halber Liter Bier damals etwa 1,20 DM.
Trekking kam zwar aufgrund meines Herzfehlers nicht in Frage, doch kletterte Werner in den Hügeln herum. Ich spazierte lieber durch den ebenen Teil des Tales. Es gab viele Papayabäume, Bananenstauden und andere Fruchtpflanzen, vor allem aber Reisfelder.
An Nutzvieh hatten die ärmlichen Bauernfamilien, welche ihre Arbeiten übrigens fast immer barfuß erledigten, nur Wasserbüffel, Kühe, Hühner und einige Ziegen.
In den Ästen der Bäume hatten überall riesige, aber anscheinend harmlose Seidenspinnen ihre gewaltigen, teils mehrere Meter großen Netze gespannt.
Bei einer Bootsfahrt begegneten wir einer schwimmenden Kobra, die eine Bucht des Sees überquerte. Das war die einzige Schlange die ich auf der gesamten Reise sah.
Ich hatte mir in Kabul "Die Jugend des Königs Henri Quatre" von H. Mann gekauft und nun Muße zum lesen. Außerdem gab es einen Buchshop mit gebrauchten Büchern, auch deutschsprachige. Nachmittags nahmen wir Kaffee und Kuchen am See, kurz, wir hatten erholsame Wochen, bis wir am 8. Dezember 1977 nach Kathmandu aufbrachen, jene Stadt auf die ich sehr gespannt war und von der ich so viel gelesen hatte.