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Hippie Trail - Asien

Auf dem "Hippie trail" nach Kathmandu

Blick über Kabul zur Zeit des Hippie trail
Blick über das Kabultal Richtung Osten im Jahr 1977.Im Vordergrund die Neustadt, die Shar-e Now, in welcher sich die Treffpunkte des Hippie Trails befanden.

Wanderung durch das Minenfeld um Kabul

Die afghanische Hauptstadt (mit damals etwa 650 000 Einwohnern) ist von Bergen, bzw. hohen felsigen Hügeln umgeben, welche im Süden und Westen an die Stadtgrenze herantreten. Werner überredete mich, den Versuch zu machen, auf einen der südwestlichen Berge zu steigen, um Kabul von oben zu betrachten und so machten wir uns eines Morgens auf. Nach einigen Kilometern erreichten wir eine große Ausfallstraße, welche in nördliche Richtung führte. Wir überquerten die Straße, hinter der es nur noch wenige Häuser gab und erreichten den Fuß des Berges, der von einem vermutlich militärisch genutzten Gebäude gekrönt war. Jedoch galt es zunächst ein mehrere hundert Meter breites Kackfeld zu überqueren. Etwa alle 50-100 Zentimeter war in dem steinigen Gelände eine von tausenden, zumeist eingetrockneter Tretminen zu finden. Es schien, als ob ein guter Teil der Kabuler Bevölkerung auf diese öffentliche Freiluft-Toilette angewiesen war und wir fanden es nicht unpraktisch, daß die Afghanen kein Toilettenpapier benutzten, denn zweifellos hätte der Wind dieses zurück in die Stadt geweht.
Nachdem wir behutsam das gefährliche Gebiet, das vermutlich sogar die ganze Stadt umrundete, durchquert hatten, erreichten wir steileres Gelände, und wir bemerkten rechts unter uns eine ungeteerte schmale Straße, die sich in Serpentinen, vorbei an einem Tanklager, auf die Höhe wand. Mein Herzfehler machte sich bald bemerkbar und auf etwa einem Drittel der Höhe machte ich Halt. Werner wollte mich nach einer Pause zwar zum Weitermarsch überreden, doch konnte ich nicht mehr, alleine wollte er auch nicht weiter und so setzten wir uns auf einen Felsvorsprung und genossen die Sicht auf das Kabultal. Leider war ausgerechnet heute der schneebedeckte Hauptkamm des Hindukusch nördlich der Stadt wolkenverhangen und nur selten konnte man durch Wolkenlücken das Eis der weit mehr als 7000 Meter hohen Berge, welche man allerdings auch von der Stadt aus betrachten konnte, schimmern sehen.
Nach einiger Zeit stiegen zwei Afghanen, ein junger in feiner seidener Landestracht mit der typisch afghanischen flachen Mütze aus Nuristan, und ein älterer, der offensichtlich einen untergeordneten Status hatte, zu uns hoch. Der junge Afghane hatte anstelle des üblichen Jacketts ein besticktes orientalisches Leibchen über dem Hemd, wie es sonst nur die Hippies trugen. Der ältere trug eine leicht zerschlissene, gegürtete blaue Uniformjacke über der weiten Afghanen-Hose. Aus diesem Grund vermuteten wir zunächst in dem Afghanen einen Polizisten. Die Beiden ließen sich in der typisch asiatischen Sitzhocke bei uns nieder. Sie interessierten sich dafür, was zwei Westler hier oben machten. Die Zwei mussten sehr scharfe Augen besitzen, wenn sie uns von der Straße aus als Europäer erkannt hatten. Der junge Mann behauptete, in irgend einem Ministerium einen höheren Posten inne zu haben. Der Alte verstand wohl kein Englisch, da der Jüngere ihm manche Dinge übersetzte. Nach einiger Unterhaltung bei einer afghanischen Zigarette, wobei mir einige verächtliche Blicke ob meiner Unsportlichkeit den Berg zu erklimmen zuteil wurden, stiegen wir gemeinsam wieder nach unten.

Orientalische Toiletten

Nach 8 Tagen wechselten wir das Hotel, wir zogen in den billigeren Schlafsaal des "Green"-Hotels. Wir hatten nämlich Bilanz gezogen und festgestellt, daß wir entweder noch mehr sparen oder auf Nepal verzichten mußten.
In dieser Nacht erwachte ich, wir hatten sehr spät noch viel Tee getrunken und so überkam mich ein Bedürfnis. Um die Toilette in einem separaten Häuschen zu erreichen, mußte ich den Hof überqueren. Die Tür jenes Hauses war nur durch einen krumm gebogenen Nagel von innen zu verschließen. Ich war noch recht schlaftrunken und stieß mit der Hand die Tür auf.
Was folgte war sehr sehr unhöflich von mir, aber ich konnte nicht anders, ich bekam einen Lachanfall.
Im ganzen Orient bestehen die Toiletten aus Löchern im Boden, wenn sie modern sind, sogar mit Spülung und Keramikbecken, aber in seltenen Fällen, wenn man sich fortschrittlich europäisch geben will, auch aus richtigen importierten westlichen Toilettensitzen. Unglücklicherweise passen sich die Einheimischen jedoch nicht an die fremden Sitten an, sondern steigen auf die Brille um dort in die Hocke zu gehen, was den Brillen schlecht bekommt, deshalb ist eine solche in der Regel nicht mehr vorhanden. Aus diesem Grund muß man auf dem schmalen Keramikrand in die Hocke gehen, was wesentlich unbequemer ist, als das Hocken auf dem geraden Boden der orientalischen Toiletten. Das "Green" war nun leider mit einer solchen europäischen Toilette versehen.
Der rothaarige Engländer, den ich zu spät bemerkt hatte, konnte sich nicht an die Sitten anpassen, auf den schmutzigen blanken Rand der Schüssel wollte er sich aber auch nicht setzen und so hatte er einen Kompromiss geschlossen.
Die Beine vor der Schüssel auf den Boden gestemmt lehnte er schräg, mit beiden Händen hinter dem Rücken das Rohr der Spülung umklammernd, über der Schüssel um sich zu erleichtern. Mit peinlich entsetztem Gesicht sah er mich an.
"Hey! Hey! Hey!"
Jetzt wurde mir meine Unhöflichkeit bewusst und schnell schloss ich wieder die Tür, die sich allerdings wieder öffnete, da ich den Nagel ausgerissen hatte und die Türangeln etwas schief waren. Die Sache war auch mir jetzt peinlich und so erleichterte ich mich in die Blumenrabatte um schnell wieder im Schlafsaal zu verschwinden.
Übrigens ist wie erwähnt Toilettenpapier im Orient ungebräuchlich, statt dessen haben orientalische Toiletten etwa 30 Zentimeter über dem Boden einen Wasserhahn, oder wenigstens steht dort ein Gefäß mit Wasser auf dem Boden und man säubert sich mit dem Wasser und der linken Hand, welche deshalb als die "unreine" Hand gilt. Diese zum Essen zu benutzen, gilt als unanständig, sie sollte während des Essens untätig auf dem Schoß ruhen und auch das Brot sollte nur mit der Rechten gebrochen werden. Da Europäer fast stets das in allen größeren Orten erhältliche Toilettenpapier benutzen, nahmen zum Beispiel in Indien manche Hotels keine westlichen Gäste auf, da die Abflußrohre teilweise für solch sperrige Fracht nicht ausgelegt waren.

Blick zum Hindukusch 1977
Kabul - Blick zum Hindukusch 1977. An unbewölkten Tagen war das Hochgebirge mit seinen Gletschern auch von den Straßen in Kabul aus sichtbar.

Ein Playboy in Kabul

Straße am Khaiberpass (engl.: Khyber)

Auch vom "Green" wechselten wir nach zwei Tagen ins "Peace"-Hotel. In diesem Hotel hatte nämlich ein deutscher Bus Station gemacht, der am 15. November nach Kathmandu fuhr. Für 20.- Dollar wollten wir bis Delhi mitreisen. Die Managerin des ganzen Unternehmens hatten wir durch Vermittlung der Freundin von Sigi, welche den sich gerade in Deutschland befindlichen Chef von "Sigis Restaurant" vertrat, kennen gelernt. Das alte Fahrzeug sollte in Nepal verkauft werden. Die anderen Reisegäste waren hauptsächlich Deutsche einige davon sogar aus dem schwäbischen Oberland. Insgesamt waren wir sieben Schwaben, was wir als gutes Omen nahmen.
Auch zwei weitere Schwaben waren im "Peace" abgestiegen. Diese waren auf dem Weg nach Argentinien, wo sie sich ansiedeln wollten "um reich zu werden". Sie hatten diese Route gewählt um vorher noch möglichst viel von der Welt zu sehen und waren schon wesentlich länger unterwegs als wir. Einer schrieb von Zeit zu Zeit Reiseberichte für das heimatliche Käseblättchen und der andere des seltsamen Pärchens hatte sich in den Kopf gesetzt, in jedem Land eine Eroberung zu machen. Aus diesem Grund waren sie schon seit längerem in Kabul. In Teheran hatte die Sache mit der Gattin eines britischen Lehrers ja noch geklappt, in Kabul jedoch war das Ganze ins Stocken geraten, doch würden sie auf jeden Fall bis zur Erfüllung jenes Vorsatzes hier bleiben, berichtete uns sein Freund. Ich hoffe die beiden erreichten noch irgendwann Südamerika.
Am Tag vor unserer Abreise verabschiedeten wir uns um fünf Uhr morgens von Lui, mit dem wir ein Drei-Bettzimmer geteilt hatten seit wir ins "Peace" gezogen waren. Er hatte auch vorgehabt, nach Nepal zu reisen, doch mehr Geld verbraucht als gedacht, und so wollte er auf dem Heimweg noch ein paar Tage Station in Herat machen.
Wir unterhielten uns dann mit dem "Hotelboy", der immerhin in unserem Alter war. Er war der Niederste in der Angestellten-Hierarchie und hatte fast alle Arbeiten alleine zu verrichten, so auch die tägliche Reinigung der Zimmer. Für diesen Job bekam er 1000 Afghani im Monat (plus Essen und Schlafplatz)¹, wovon er 600 an seine Familie in einem Dorf schickte. In einer Schule war er nie gewesen und Trinkgeld bekam er auch so gut wie nie. Wir hatten ihm vor zwei Tagen 10 Afs. Trinkgeld gegeben, er begriff zuerst gar nicht wofür das sein solle. Jetzt war er zu uns besonders freundlich. Nach seinen Schilderungen war das Leben in den afghanischen Dörfern sehr hart. Die europäischen Reisenden kann man mit ruhigem Gewissen als geizig bezeichnen, wenigstens gegenüber den armen und ärmsten Schichten der Einheimischen, während sie sich von den gewieften Händlern mit Leichtigkeit über den Tisch ziehen ließen. Entweder berührte sie das Elend nicht, oder sie nahmen es schlicht nicht wahr.

Der Khaiberpass - Durch den wilden Osten Afghanistans

Am 15. November um sechs Uhr morgens fuhr unser Bus in Kabul los. Eine rötlich schimmernde Dunstglocke hing über der Stadt, die bereits voller Leben war.
Die Landschaft wurde zunächst noch durch die Ebene des Kabultales bestimmt. Dieses wurde ziemlich jäh durch aufsteigende Berge begrenzt. Nach kurviger Fahrt, in unterschiedlichen Höhen den Windungen des Kabulflußes folgend, eröffnete sich plötzlich, nach einer Rechtskurve, ein überwältigender Ausblick. Gerade uns gegenüber in vielleicht 100 Meter Entfernung war eine Felswand. Über uns ragten hohe Berge in den Blauen Himmel, unter uns, ein paar hundert Meter tiefer erkannten wir den Fluß und die Fortsetzung der Straße.

Wir waren jetzt im Paschtunengebiet. Die einzelnen Gehöfte glichen Festungen mit Schießscharten und waren oft auf Felsen oder Hügeln mit guter strategischer Position gebaut.
Alle Bauern waren jetzt bewaffnet, an der Art der Waffe konnte man den Reichtum des Trägers ablesen. Ganz arme Bauern trugen Perkussionsflinten die ihre Vorfahren vor rund 140 Jahren den toten englischen Soldaten abgenommen hatten, Reiche hatten ein modernes Schnellfeuergewehr geschultert. Die häufigste Waffe waren jedoch alte Infanterie-Karabiner.
Der afghanischen Staatsmacht wurde in diesem Gebiet allenfalls noch erlaubt den Verkehr zu regeln, wie es schien. In einem Ort östlich von Jalalabad betrachtete ich mir bei einem kurzen Halt die Schaufenster. Dort waren Granatwerfer und Maschinengewehre samt Munitionskisten aufgebaut, selbst die Kinder in diesem Ort trugen Waffen. Die auf der Straße in einer Gruppe zusammenstehenden Polizisten mit ihren Pistolen wirkten eher lächerlich.
Von Gräbern am Wegrand flatterten Gebetsfahnen im Wind, offensichtlich hat diese Sitte den Glaubenswandel vom Buddhismus zum Islam überdauert.
Beeindruckend war der Anblick der Felsen des Khaiberpasses. Am Paß war die Grenze zu Pakistan, wo Linksverkehr herrscht. Dies wurde von unserem deutschen Fahrer vergessen, und fast kam es deshalb zu einem Zusammenstoß mit einem der bunt bemalten LKW´s auf den Serpentinen der in den senkrechten Fels eingeschlagenen Straße.
Oben auf dem Paß begann es zu dämmern, aber man konnte im Osten noch das Grün der indischen Ebene im Dunst schimmern sehen, ein erfrischender Anblick, hatten wir doch seit der Westtürkei nur trockene Gebiete durchquert.

1) Leider habe ich mir die damaligen Wechselkurse nicht notiert, doch bemerkt Detlef Fritz in seinem Reisebericht "Türkei, Iran, Afghanistan: Durch die Wüste zu den Buddhas und Seen des Hindukusch" (siehe Links unter "Information"), daß er im September 1977 in Bamyan für "50,- DM nur 750,- Afghani" erhielt. - Zurück zum Text
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